Integre Chefs?

Hochschulen schützen die so genannte wissenschaftliche Integrität besser als auch schon. Gegen grosse Betrügereien von Forschenden sind sie aber kaum gewappnet. Von Marcel Falk

"Betrug ist in der Wissenschaft allzu einfach." Der niederländische Sozialpsychologe Diederik Stapel, der diese Aussage 2011 machte, muss es wissen. Mit erfundenen Daten erfundener Schulen baute er eine reich dekorierte Forscherkarriere auf, bis ihn drei seiner Doktoranden überführten. Sind solche Fälle Warnsignale, die auf weit verbreitete Betrugspraktiken in der Wissenschaft hinweisen? Oder zeigt Stapels Überführung, dass die Selbstkorrektur der Wissenschaft funktioniert? In der Schweiz fehlen gesicherte Zahlen zu wissenschaftlichem Fehlverhalten. Integritätsbeauftragte und Ombudspersonen bestätigen die aus internationalen Studien bekannten Werte von jährlich etwa fünf Fällen pro tausend Forschender. Hochgerechnet ergäbe dies 150 bis 200 Fälle. Einig sind sich die Beauftragten zudem, dass die Dunkelziffer hoch ist. In einer oft zitierten Metaanalyse gaben zwei Prozent der Forschenden zu, Daten gefälscht oder erfunden zu haben, ein Drittel gestand kleinere Übeltaten. Bei ihren Kolleginnen und Kollegen dagegen vermuteten oder beobachteten die Befragten eine höhere kriminelle Energie als bei sich selber. Über 14 Prozent der Kollegen sollen betrogen und bis zu 72 Prozent gemauschelt haben.

Wissenschaftliches Fehlverhalten bleibt oft unentdeckt. Dabei ist die Wissenschaft mittlerweile besser gerüstet, Fehlverhalten zu ahnden, als noch vor kurzem. Sie hat ihre Instrumente zur Selbstkorrektur verstärkt. Ein Katalysator war offenbardas 2008 von den Akademien der Wissenschaften Schweiz veröffentliche Memorandum zur wissenschaftlichen Integrität. Viele Hochschulen installierten daraufhin Regelwerke und setzten Beauftragte für wissenschaftliche Integrität ein. Wie eine neue Analyse zeigt, fehlen Regelungen auf universitärer Ebene nur noch an der Università della Svizzera italiana, die gemäss mündlicher Auskunft entsprechende Regeln plant. Die Universitäten Neuenburg und Luzern behandeln in ihren Reglementen bislang lediglich Plagiate, erarbeiten aber zurzeit umfassendere Regelungen. Allerdings ist schwer zu beurteilen, was die Regelwerke bewirken. Viele Hochschulen publizieren nicht einmal die Anzahl der Fälle. Dezidierter tritt der Schweizerische Nationalfonds (SNF) auf. Er etablierte im Jahr 2009 Verfahren, mit denen man Fehlverhalten entdecken und ahndenkann, seit 2010 werden diese durch eine Software für Plagiate unterstützt. Innerhalb von zwei Jahren wurden so sechs Fälle entdeckt, die in anonymisierter Form auf der Website publiziert sind. "Wir wollen den Gesuchstellern klar machen, was nicht akzeptiert wird und welche Konsequenzen drohen", sagt Markus Röthlisberger, Jurist beim Schweizerischen Nationalfonds.