"Nicht die Probleme der Partner lösen, sondern bessere Forschung machen"

Dieses Bild zeigt den Friedensforscher Laurent Goetschel. © Manu Friederich

Die Bedeutung der Forschungszusammenarbeit ist unbestritten. Übersehen werden aber oft wissenschaftliche Kollaborationen mit Schwellenländern. Auch diese können bedeutsam für die hiesige Forschung sein, sagt Laurent Goetschel, Friedensforscher am Basler Europainstitut. Von Roland Fischer

​Herr Goetschel, Sie plädieren dafür, dass die Schweiz Forschungszusammenarbeit auch mit Ländern betreibt, die auf dem wissenschaftlichen Globus kaum sichtbar sind. Sprechen Sie dabei von "Entwicklungsforschung" oder von "Nord-Süd-Forschung"?
Der Begriff Entwicklungsforschung ist nahe an der Entwicklungshilfe: Eine Forschung, die Ideen liefern soll, wie man Entwicklungsarbeit am besten betreibt. Ich
würde aber eher von Forschung zu globalen Problemen und Herausforderungen in
lokalen Kontexten sprechen. Auch die geografische Klammer ist nicht verkehrt, denn
inhaltlich gibt es ganz verschiedene Ansätze, von Fragen zur Regierungsführung
über solche zu Armut und Globalisierung bis hin zur Siedlungshygiene. Der gemeinsame Nenner: eine Forschungsfrage in Zusammenarbeit mit Forschungspartnern aus Ländern mit unterschiedlichen sozioökonomischen Niveaus anzugehen.

Gibt es da nicht fast zwangsläufig eine
paternalistische Schlagseite?
Das ist ein Vorurteil, mit dem diese Art Forschung schon lang kämpft: Wenn man
helfe, könne man keine exzellente Forschung machen, und umgekehrt. Es geht aber nicht darum, die Probleme der Partner zu lösen, sondern bessere Forschung zu machen, und zwar gemeinsam und mit Vorteilen für beide Seiten. Natürlich wären
für Forschende vor Ort die Voraussetzungen für solche Nord-Süd-Projekte oft nicht
gegeben. Umgekehrt profitiert aber auch die hiesige Forschung von solchen Kollaborationen. Auch das kann in Forschungsexzellenz münden.

Zum Beispiel?
Indem bekannte Konzepte und Überlegungen in anderen Kontexten erprobt werden.
Auch können Themen, die uns direkt betreffen, nur in Zusammenarbeit mit solchen
Partnern sinnvoll erforscht werden: Biodiversität, Rohstoffe, Gesundheit, Migration.
Es ist zudem spannend, mit einem Sudanesen über Friedensforschung zu diskutieren, da ergeben sich ganz andere Perspektiven.

Und der Brain Drain? Sorgen solche Kollaborationen nicht vor allem dafür, dass vielversprechende Forscher aus Entwicklungsländern
abwandern?
90 Prozent der beteiligten Forscher aus Schwellenländern forschen vor Ort weiter.
Wir wissen, wie Projekte aufgestellt sein müssen, damit die Ressourcen nicht abwandern.

Der Nationale Forschungsschwerpunkt Nord-Süd ist letztes Jahr beendet worden. Was ist daraus an nachhaltigen Strukturen entstanden?
Die gut etablierten Forschungsnetzwerke mit verschiedenen Ländern werden in dieser Form kaum zu halten sein. Reine Projektfinanzierungen reichen dazu nicht aus. Das ist bedauerlich. Insofern sind die Bedingungen derzeit schlechter als während des NFS Nord-Süd.

(Aus "Horizonte" Nr. 101, Juni 2014)