Wohltätiges Wimmeln

Einfacher Versuchsaufbau: Kulturpflanzen sind entscheidend auf unterirdische Lebensvielfalt angewiesen. © Franz Bender

Wenn die intensive Landwirtschaft dem unterirdischen Leben mehr Sorge trägt, kann sie Kosten sparen und erst noch die Erträge steigern. Von Ori Schipper

​Absurd – etwas anderes fällt einem nicht ein, wenn es um den übermässigen Einsatz von Dünger in der Landwirtschaft geht. Zwar werden dadurch die hohen Erträge im Ackerbau ermöglicht, doch die Pflanzen verwerten nur die Hälfte des im Dünger enthaltenen wertvollen Stickstoffs. Die andere Hälfte entweicht in die Atmosphäre oder wird ausgewaschen und belastet in der Folge Flüsse und Seen.

Mit ihrem einzig auf die Höhe des Ertrags gerichteten Blick manövriert sich die intensive Landwirtschaft ins Abseits, nur schon weil ihr verschwenderischer Umgang mit pflanzlichen Nährstoffen ausblendet, dass so die weltweiten Vorräte etwa von Phosphor noch 50 bis 100 Jahre reichen. Nun legen Resultate von Franz Bender und Marcel van der Heijden von der Forschungsanstalt Agroscope in Zürich-Reckenholz nahe, dass sich die Erweiterung des vorherrschenden Denkens lohnt, und zwar gleich doppelt.

Die Forschenden haben in einem Versuch nachgewiesen, dass die unsichtbare unterirdische Lebensvielfalt die Nährstoffeffizienz der Kulturpflanzen Mais und Weizen entscheidend verbessert. Sie entnahmen einer nahe gelegenen Viehweide Erde, sterilisierten sie und versetzten sie danach entweder mit einer erhöhten oder einer reduzierten Vielfalt an Bodenlebewesen. Dann füllten sie das Erdmaterial in grosse Behälter – so genannte Lysimeter – mit einem Abflussloch am unteren Ende, durch welches das Sickerwasser abfliesst, wenn es regnet.

Beschleunigte Nährstoffkreisläufe

Die chemische Analyse des Sickerwassers erlaubt Rückschlüsse auf die Menge ausgewaschener Nährstoffe – die sich stark unterscheidet, je nachdem ob die Erde im Lysimeter mit einem erhöhten oder reduzierten "Bodenleben" versetzt wurde. Wimmelt es von Bakterien, Pilzen und Würmern, dann beschleunigen sich die Nährstoffkreisläufe. Die Organismen im Untergrund wandeln den Stickstoff chemisch um und halten ihn zurück. So wäscht der Regen aus stark bewohntem Boden nur halb so viel Stickstoff aus wie aus weniger belebtem Boden.

Gleichzeitig lösen die Kleinlebewesen den für Pflanzen oft unzugänglichen Phosphor aus den chemischen Verbindungen, in denen er im Erdreich hauptsächlich vorkommt. Vor allem dank der Symbiose mit Mykorrhiza-Pilzen nehmen Mais und Weizen etwa einen Fünftel mehr Stickstoff und fast das Doppelte an Phosphor auf, wenn sie auf reichhaltig belebtem statt schwach belebtem Boden wachsen.

Diese Unterschiede wirken sich auch auf die Produktivität der Pflanzen aus: Je vielfältiger die Bodenlebewesen, desto stärker das Wachstum von Mais und Weizen, wie die Forschenden erstmals zeigen konnten. "Bodentiere und Mykorrhiza-Pilze haben das Potenzial, landwirtschaftliche Erträge sowohl qualitativ als auch quantitativ zu verbessern", schreiben Bender und van der Heijden in ihrem Beitrag.

Im Boden intensiv bewirtschafteter Felder seien die lebendigen Netzwerke oft zerrissen, was dazu führe, dass die im Dünger zugeführten Nährstoffe mehrheitlich ungenutzt versickerten, schreiben die Wissenschaftler weiter. Mit der Übernahme von – in der Schweiz bereits verbreiteten – Praktiken wie Fruchtfolge, dem verringerten Pflügen oder der Direktsaat, die dem unsichtbaren Leben im Erdreich besser Sorge tragen, könnte die Landwirtschaft viel gewinnen. Würde sie auf die grossenteils sinnlose Verschwendung der Nährstoffe verzichten, könnte sie nicht nur Düngerkosten einsparen – ohne dabei auf reichliche Erträge verzichten zu müssen –, sondern auch Umweltprobleme wie überdüngte Seen beheben helfen.

(Aus "Horizonte" Nr. 101, Juni 2014)