Technik bleibt Männersache

Schülerinnen und Schüler © Shutterstock/Hurst Photo

Ingenieure, Chemikerinnen, Physiker und Informatikerinnen sind und bleiben trotz vieler Förderinitiativen dringend gesucht. Mit detaillierteren Daten und gründlicheren Analysen soll in Zukunft die Trendwende gelingen. Von Marcel Falk

​Unter Eltern ist es ein beliebtes Gesprächsthema: Jugendliche, Kinder und sogar Babys lassen sich kaum von Smartphones und Tablets trennen. Die Geräte fesseln, Technik scheint zu begeistern. Und dennoch haben alle westlichen Industrienationen das gleiche Problem, seit Jahrzehnten: zu wenig Buben und vor allem zu wenig Mädchen wollen Ingenieure und Naturwissenschaftlerinnen werden. Trotz vieler Initiativen in und ausserhalb der Schule fehlen der Wirtschaft die Fachkräfte.

Das Problem ist offensichtlich vertrackter als angenommen. Bildungsforscher wollen nun die Förderung von Naturwissenschaften und Technik auf eine solide Daten-Grundlage stellen. Das Team von Peter Labudde von der Fachhochschule Nordwestschweiz befragte deshalb über 3500 Schülerinnen und Schüler und verglich die Antworten mit denen von Personen, die ein Studium oder einen Beruf in Naturwissenschaften oder Technik ergriffen haben. Einige der Resultate lassen auf-horchen.

Die Beliebtheit der naturwissenschaftlichen Fächer und von Mathematik variiert stark. Bei Gymnasiastinnen etwa ist Biologie das beliebteste Fach und Physik das unbeliebteste. Insgesamt wenig geliebt wird Mathematik. Den Forschern ist nun aufgefallen, dass der Anteil an ungenügenden Noten – und die Streuung der Noten – in der Mathematik viel höher ist als in anderen Fächern. Bringen die schlechten Noten Jugendliche davon ab, Studiengänge wie Informatik, Ingenieurwissenschaften oder Physik zu wählen?

Die Begeisterung für Themen lässt sich jedoch nicht nur in der Schule wecken. Es fühlen sich sogar mehr Schülerinnen und Schüler in ihrem Interesse für Technik durch die Familie als durch die Schule gefördert. Riesig sind dabei die Unterschiede zwischen Mädchen und Buben: nur 40 Prozent der Mädchen fühlen sich von ihrer Familie in Technik gefördert. Bei den Jungs sind es 64 Prozent. Interessanterweise gibt es diesen Geschlechterspagat in den Naturwissenschaften nicht.

"Unnötige neue Produkte"

Bei der Frage, was sich Mädchen und Buben in Sachen Technik zutrauen, ergaben sich ernüchternde Resultate: Wie erwartet sehen sich die Jungs als kompetente Techniker, und die Mädchen trauen sich wenig zu. Dieses geringe Selbstvertrauen zeigte sich selbst bei Mädchen, die genauso gut gefördert wurden und das gleiche Interesse für Technik zeigten wie Buben. Die Forscher führen dies auf hartnäckige Stereotype zurück: Technik wird von beiden Geschlechtern als Männersache betrachtet.

Für die spätere Berufswahl besonders entscheidend ist das Bild, das sich Kinder und Jugendliche von einem Beruf machen. Die naturwissenschaftlichen und technischen Berufe werden dabei teilweise positiv bewertet, als modern und nützlich; aber auch als wenig kreativ und als eintönig. Die Ingenieursberufe gelten zudem als riskant und werden für die Erfindung "unnötiger neuer Produkte" verantwortlich gemacht.

Für Rudolf Künzli, ehemaliger Direktor der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz, schädigen die einseitigen Initiativen, die nur Naturwissenschaften und Technik fördern, gar das Image dieser Berufe: "In der Pubertät steht natürlicherweise das Soziale im Zentrum des Interesses. Wer soziale Themen herabmindert, kann darum nur verlieren. Viel erfolgversprechender wäre es, die Gemeinsamkeiten von Natur- und Geisteswissenschaften zu betonen", sagte Künzli unlängst gegenüber der "Schweiz am Sonntag".

Tatsächlich bleibt das Feld weit offen. Das sehen auch die Bildungsforscher so. Ihr Vorschlag für ein Nationales Forschungsprogramm zum Thema Bildung und Nachwuchsförderung in den Bereichen Naturwissenschaften und Technik wird zurzeit evaluiert.

Marcel Falk leitet die Kommunikation der Akademie der Naturwissenschaften.
(Aus "Horizonte" Nr. 103, Dezember 2014)