Sollen Universitäten ihre Start-ups zur Kasse bitten?

Jedes Jahr werden in der Schweiz Dutzende von Start-ups gegründet, die Ergebnisse aus staatlich finanzierten Forschungsarbeiten vermarkten. Sollten die Universitäten, die diese Forschung unterstützt haben, auch am kommerziellen Erfolg der Start-ups teilhaben?

​(Aus "Horizonte" Nr. 105, Juni 2015)

​Ja sagt der Politiker Jean-François Steiert.

Die Schweiz hat in den letzten zwanzig Jahren mit rund 1 000 meist kleinen, aber in den meisten Fällen erfolgreichen Unternehmen beachtliche Erfolge zu verzeichnen – auch wenn besonders risikofreudige Kapitalgeber in der Schweiz seltener auftreten als beispielsweise in den Vereinigten Staaten. Meist werden Schweizer Spin-offs mit Steuergeldern für Infrastrukturen, soziale Netzwerke, Stipendien oder Coaching-Leistungen von Hochschulen unterstützt. Das Ziel solch öffentlicher Investitionen ist primär die Förderung des Forschungs- und Werkplatzes.

Werfen nun Innovationen – dank der Unterstützung mit öffentlichen Geldern – über Verkäufe von Patenten hohe Gewinne in zwei- oder dreistelliger Millionenhöhe ab, muss der öffentliche Kapitalgeber einen Teil des Gewinns einfordern können – nicht, damit der Staat oder die Hochschule daran verdient, aber um die entsprechenden Gelder in die Förderung der nächsten Forschergenerationen zu reinvestieren. Gerade in Zeiten, in denen Bund und Kantone wegen übertriebener Steuersenkungen Sparprogramme aufsetzen, sollen auch auf diese Weise zusätzliche Mittel generiert werden, die Jungforschende bei der wirtschaftlichen Verwertung von Innovationen unterstützen.

Beim Verkauf von entsprechenden Patenten soll es weder darum gehen, den Ertrag zu maximieren, noch mit einem einheitlichen Schlüssel Gewinne abzuschöpfen. Die Hochschulen brauchen einen Gestaltungsspielraum, um die Abschöpfung zu optimieren. Einerseits soll das Gründen und Führen von Start-ups attraktiv sein, andererseits braucht es angemessene Reinvestitionen in die nächste Forschergeneration. Was heute fehlt, ist die Transparenz. Wollen die Hochschulen das Vertrauen der Steuerzahlenden erhalten, müssen sie offenlegen, wie viele Gelder aus erfolgreichen Start-ups zurückfliessen. Das schulden die Hochschulen den Steuerzahlenden, die auch im für die Schweiz existenziell wichtigen Bereich der Forschung – mit Recht – wissen wollen, wie effizient der Steuerfranken eingesetzt wird.


Jean-François Steiert (SP) ist seit 2007 Nationalrat. Er ist Mitglied der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur.

Nein meint Hervé Lebret, Verantwortlicher eines Start-up-Fonds der EPFL.

Als Marc Andreessen 1993 Netscape lancierte, einen der ersten Web-Browser, fing der 22-jährige Amerikaner lieber nochmals bei Null an, als mit der Universität von Illinois eine Lizenz abzuschliessen, da er deren Bedingungen für inakzeptabel hielt. Harmonischer entwickelte sich die Beziehung zwischen den Gründern von Google und der Universität Stanford, die sich mit einer bescheidenen Beteiligung von zwei Prozent begnügte – was ihr sechs Jahre später beim Börsengang des Unternehmens immerhin 336 Millionen US-Dollar einbrachte. Überhaupt keine Forderungen stellte Stanford an die Gründer von Yahoo, da diese ihre Website in der Freizeit entwickelt hätten. Einige Jahre später spendeten diese 70 Millionen US-Dollar an Stanford, während Andreessen nichts mehr mit seiner Alma Mater in Illinois zu tun haben wollte.

Diese Beispiele veranschaulichen, wie sich die Beziehungen zwischen Hochschulen und Unternehmen trüben, wenn die Beteiligten den Wert eines Wissenstransfers nicht gleich einstufen. Allgemein herrscht die Meinung vor, dass ein solcher Wissenstransfer im Rahmen der Ausbildung kostenlos sein sollte, nicht aber im Fall einer Unternehmensgründung. Indirekte Gegenleistungen existieren jedoch bereits: einerseits in Form von Steuern, vor allem aber in Form von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen, die von Start-ups geschaffen werden. Diese sind in der Bilanz wesentlich wertvoller als Lizenzen, mit denen die renommiertesten US-Universitäten maximal zweistellige Millionenbeträge einnehmen.

Wie würde denn eine faire Entschädigung für Universitäten aussehen? Diese Diskussion ist heikel und basiert häufig auf falschen Informationen, insbesondere aufgrund einer mangelnden Transparenz der beteiligten Akteure. 2013 analysierte ich in einer Publikation die Lizenzen von rund 30 Start-ups.1 Demnach verlangen Hochschulen durchschnittlich eine Beteiligung von rund zehn Prozent bei der Gründung von Start-ups, die nach den ersten Finanzierungen auf ein bis zwei Prozent verwässert wird.

Nur ist es unmöglich, im Voraus das wirtschaftliche Potenzial einer Technologie zu beziffern. Wichtig ist vor allem, dieses Potenzial nicht durch übertriebene Lizenzforderungen zu schmälern. Allzu harte Bedingungen können den Unternehmergeist im Keim ersticken und Investoren abschrecken. Damit würde die Gans geschlachtet, die vielleicht schon bald goldene Eier gelegt hätte.


Hervé Lebret ist Mitglied des Vizepräsidiums für Innovation und Valorisierung der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne und Leiter des EPFL-Innovationsfonds Innogrant.