Patienten rücken ins Zentrum

Klinische Forschung kostet viel Geld. Damit auch Fragen beantwortet werden können, die wirtschaftlich wenig interessant, aber für Patienten wichtig sind, braucht es neue Finanzierungsmodelle. Von Oliver Klaffke

(Aus "Horizonte" Nr. 106, September 2015)
Bild: © Keystone / Science Photo Library / Jim West

Die Pharmaindustrie investiert gern in die Entwicklung von einträglichen Medikamenten. Für die Erforschung neuer Formen der Behandlung fehlen jedoch potente Geldgeber. "Studien, bei denen Patienten im Vordergrund stehen und nicht die kommerziellen Interessen, spielen bei der Verbesserung der Behandlung und Versorgung von Kranken eine wichtige Rolle", sagt Stephanie Tan von Quintiles Asia, einem Unternehmen, das klinische Studien durchführt. Mit Kollegen hat die Ärztin Anfang 2015 ein Handbuch für von Forschenden initiierte klinische Studien veröffentlicht: "Investigator Initiated Trials Made Easy". Solche Studien sind seit Mitte der 1990er Jahre auf dem Vormarsch. Bei ihnen wählen Mediziner ihr §Forschungsthema unabhängig von wirtschaftlichen Interessen.

Initiative Forscher werden gefördert

Um unabhängige Studien in der Schweiz zu ermöglichen, gibt es dafür nun Geld vom neuen Spezialprogramm "Investigator Initiated Clinical Trials" des Schweizerischen Nationalfonds (SNF). Jeweils zehn Millionen Franken in zwei Ausschreibungsrunden stehen zur Verfügung. Das reicht für vier oder fünf Studien. "Wir möchten damit Forscher ermutigen, klinische Studien zu Fragen zu machen, die sie für relevant halten", sagt Ayşim Yılmaz, Leiterin der Abteilung Biologie und Medizin beim SNF. Die Therapieart oder die zu erforschende Krankheit spielen dabei keine Rolle – entscheidend sind nur das Design und die Qualität der Projekte. "Das ist ein Bottom-up-Ansatz", sagt sie. Darin unterscheidet sich das SNF-Programm von denen in anderen europäischen Ländern oder in den USA. Dort werden auch von Forschenden initiierte Studien speziell gefördert, sind dabei aber meist thematisch festgelegt.

"Bei uns in Italien wird solche Forschung durch den AIFA-Fund der nationalen Zulassungsbehörde für Arzneimittel gefördert", sagt Giuseppe Traversa vom öffentlichen Istituto Superiore di Sanità in Rom. Finanziert wird das italienische Programm durch eine Abgabe, die die Pharmaindustrie entrichten muss: Fünf Prozent ihrer Marketingausgaben fliessen in die unabhängige klinische Forschung. Etwa 40 Millionen Euro stehen somit jährlich für Themen bereit wie zum Beispiel Medikamente für seltene Krankheiten oder für den Vergleich verschiedener Behandlungsstrategien. Diese Förderung sei eine Chance, die es zu packen gelte, sagt Traversa auch in der Fachzeitschrift für Krebsforschung Annals of Oncolgy.

Viviana Muñoz von der École polytechnique fédérale in Lausanne (EPFL) schlägt eine Finanzierung via Stiftungen vor. Eine philanthropische Finanzierung habe sich speziell für die wirtschaftlich nicht lukrativen Felder wie Tropenkrankheiten oder Anwendungen von Medikamenten mit abgelaufenem Patentschutz bewährt. Zu diesem Schluss kommt sie zusammen mit Forschenden des Lehrstuhls für Wirtschaft und Innovationsmanagement der EPFL.

Ein Beispiel dafür ist die Hilfsorganisation Médecins Sans Frontières, die ihren Friedensnobelpreis von 1999 investiert und zusammen mit fünf anderen Organisationen die in Genf ansässige Stiftung Drugs for Neglected Diseases initiative (DNDi) gegründet hat. Mit einem Budget von 30 Millionen im Jahr 2013, wovon fast die Hälfte von privaten Geldgebern stammt, füllt sie eine Lücke in der Medikamentenentwicklung. Mit industriellen Partnern werden so Wirkstoffe gegen Krankheiten wie Leishmaniose, Malaria und HIV bei Kindern für schwache Märkte hergestellt. Der klinische Fortschritt in Nischen, die wirtschaftlich nicht lukrativ, aber medizinisch wichtig sind, ist auf solche Geldquellen angewiesen.