Eingriff‰e in die menschliche Keimbahn stoppen?

In China wurden mit der neuen CRISPR-Cas-Methode zu Forschungszwecken menschliche Embryonen verändert. Sollen Forschende weltweit die menschliche Keimbahn unangetastet lassen, bis mehr über mögliche Auswirkungen bekannt ist?

(Aus "Horizonte" Nr. 107 Dezember 2015)

​Die gentechnische Veränderung der Keimbahn (Zellen, die Spermien und Ei zellen bilden, Anm. d. Red.) ist heute in der Schweiz und in vielen andern Ländern verboten. Über die Wirksamkeit und die Sicherheit solcher Eingriff„e wissen wir noch fast nichts – und noch weniger über beabsichtigte und unbeabsichtigte Langzeite„ffekte. Gerade die Versuche in China mit menschlichen Embryonen zeigen, wie unreif die Technologie ist. Nur bei 4 von 86 Embryonen gelang der gentechnische Eingriff„ auf molekularer Ebene teilweise; die meisten zeigten genetische Abnormalitäten. Aufgrund dieser Resultate ist eine Anwendung der Technik in naher Zukunft nicht zu erwarten.

Auf der andern Seite gibt es viele genetisch bedingte Krankheiten beim Menschen. Und wir lernen immer mehr genetische Ursachen kennen. Wie wollen wir diese bekämpfen? Ein Weg ist die Präimplantationsdiagnostik. Das eidgenössische Parlament möchte nun deren Anwendung in gewissen Fällen erlauben. Die Präimplantationsdiagnostik, also die Untersuchung des Embryos, bevor er der Mutter eingepflanzt wird, kann die Krankheit nicht immer verhindern: zum Beispiel wenn beide Partner denselben genetischen Defekt tragen oder wenn mehrere genetische Defekte gleichzeitig vorliegen. Ein anderer möglicher Weg, den wir deshalb prüfen sollten, ist die genetische Korrektur in der Keimbahn.

Wir müssen lernen, wie wirksam und sicher sich Gene in der menschlichen Keimbahn verändern lassen und ob diese Anwendung besser ist als andere Therapien. Zu fordern, man solle warten, bis man mehr weiss, und gleichzeitig der Forschung ein Moratorium auferlegen ist ein Widerspruch. Um mehr zu erfahren, braucht es Forschung. Diese sollten wir nicht bremsen, sondern innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen fördern. So sollte sie etwa ausschliesslich auf die Heilung von Krankheiten ausgerichtet sein.

Öffnen wir damit Tür und Tor für die genetische Verbesserung des Menschen, wie
einige befürchten und andere erhoffen? Ich bin überzeugt, dass die Menschheit
sich diesen Fragen stellen und die Anwendung dieser Technologien regeln muss. Diese nötige Diskussion wird umso besser gelingen, je besser wir die Möglichkeiten
und die Grenzen gentechnischer Eingriffe in die Keimbahn kennen.

Dieter Egli ist Assistenzprofessor an der Columbia Universität in New York. Er promovierte an der Universität Zürich und erforschte therapeutisches Klonen.