“Wer möchte denn mit einsiedlerischen Workaholics zusammenarbeiten?“

Mit welchen Erwartungen sehen sich Professorinnen und Professoren konfrontiert, und wie finden sie eine Balance zwischen Forschung, Lehre, Dienstleistung und Privatleben?

Mit einem Podiumsgespräch und einem Netzwerk-Apéro feierten Mentoring Deutschschweiz und das Réseau romand de mentoring pour femmes ihr 15-Jahre-Jubiläum. Circa 90 aktuelle und ehemalige Mentorinnen, Mentoren, Mentees und Programmpartnerinnen trafen sich dafür am 22. Januar 2016 beim SNF in Bern (Fotos und weitere Dokumente siehe Link unten).

Sympathisch, inspirierend und offen erzählten Marilyne Andersen, Annuska Derks, Juliet Fall und Norbert Thom während des Podiumsgesprächs von ihrem Umgang mit Anforderungen und Erwartungen an ihre Professuren. Sie ermunterten das Publikum, Gelegenheiten für neue Aufgaben und Rollen zu nutzen, auch wenn der Zeitpunkt vielleicht als zu früh in der Karriere erscheine. "You learn by doing and become better", so Marilyne Andersen. Norbert Thom empfahl aber auch, bei Entscheidungen das eigene Wohlbefinden und insbesondere die individuellen Energiespender einzubeziehen. "Hätte ich ein Rektorat übernommen, wäre das zwar eine Krönung meiner akademischen Karriere gewesen, aber es wäre für meine Bedürfnisse zu wenig Zeit für Lehre, Betreuung und fachlichen Austausch mit peers geblieben". Alle waren sich einig, dass Freude an der Wissenschaft und der Professur ihre wichtigste Motivation sei.

Wenn die Freude schwinde, sollten die vielen spannenden Berufsfelder ausserhalb der Wissenschaft in Betracht gezogen werden. "Hätten Sie mit Ihren Qualifikationen eine Stelle ausserhalb der Akademie, wäre diese genauso anspruchsvoll und zeitintensiv wie eine Professur", begründete Nicky Le Feuvre ihre Aussage, dass eine Professur nur "ein Job unter vielen" und keineswegs so exklusiv und besonders sei, wie oft argumentiert. Es sei wichtig, so die Professorin, dass Akademikerinnen und Akademiker, welche die Wissenschaft verliessen, eine Karriere ausserhalb der Wissenschaft nicht zum Misserfolg degradierten.

Nicky Le Feuvre regte zudem an, den Mythos der totalen Hingabe kritisch zu hinterfragen. Sie unterstützte damit Juliet Fall, die schon im Gespräch auf die Wichtigkeit des "Grenzen Setzens" hingewiesen hatte. Auch frühere Generationen hätten nicht in mönchischer Abgeschiedenheit gelebt und sich ausschliesslich der Wissenschaft gewidmet. Professorinnen und Professoren wollten lieber mit "normalen" Kolleginnen arbeiten als mit einsiedlerischen Workaholics.

15-Jahre-Jubiläum

Die Homecoming-Veranstaltung zum Thema "Research, teaching, leadership… What are the demands on today’s professors?" fand anlässlich des 15-jährigen Bestehens von Réseau romand und Mentoring Deutschschweiz statt. Von den Programmen konnten bis 2016 fast 500 Wissenschaftlerinnen auf Stufe Doktorat und Postdoktorat und fast ebenso viele Professorinnen und Professoren direkt profitieren. Nachwuchswissenschaftlerinnen wurden auf dem Weg zur Berufungsfähigkeit oder zur Berufung gefördert und bei der Vernetzung über die Grenzen einzelner Hochschulen hinaus unterstützt. Professorinnen und Professoren wurden mit Nachwuchswissenschaftlerinnen ausserhalb ihrer Netzwerke bekanntgemacht und für die diversen Arbeits- und Lebenssituationen sowie geschlechterspezifische Herausforderungen sensibilisiert.

Förderung der Chancengleichheit in der Wissenschaft

Réseau romand und Mentoring Deutschschweiz wurden im Jahr 2000 im Rahmen des Bundesprogramms Chancengleichheit 2000 - 2012/2013 als erstes Nachwuchsförderungsinstrument für Habilitandinnen und Doktorandinnen der Schweiz lanciert. Damals gab es an den Hochschulen kaum formelle Angebote zur Laufbahnförderung, wie z.B. Kurse in überfachlichen Kompetenzen, Coachings und formalisierte Mentoring-Austausche. Diese Situation war besonders kritisch für Frauen, weil diese traditionell weniger in Netzwerken über Hierarchiestufen hinweg eingebunden waren/sind und weniger von informellem Mentoring profitieren als ihre Kollegen.

Bis 2016 wurden die Programme als nationales Kooperationsprojekt durch Beiträge der beteiligten Hochschulen finanziert und seit 2006 vom SNF finanziell unterstützt. Mentoring Deutschschweiz wird auf Ende März 2016 eingestellt, das Réseau romand wird voraussichtlich 2017 fortgeführt.