Ungerechte Gene

Hepatitis C viruses, TEM

Weshalb erholen sich einige Menschen schnell von Infektionen, die anderen schwer zu schaffen machen? Ein Grossteil der Unterschiede lässt sich mit individuellen genetischen Variationen erklären. Von Marie-Christine Petit-Pierre

(Aus "Horizonte" Nr. 108 März 2016)​​​

​Dank Angelina Jolie sind die Gene BRCA1 und BRCA2 (Breast Cancer 1 und 2) heute weitherum bekannt. Mutationen dieser Gene erhöhen das Risiko für eine Erkrankung an Brust- und Eierstockkrebs beträchtlich und zeigen eindrücklich den Einfluss individueller genetischer Variationen auf unsere Gesundheit.

Auch die Empfindlichkeit gegenüber Bakterien, Viren und Pilzen wird durch Gene beeinflusst. Pierre-Yves Bochud, leitender Arzt der Abteilung Infektionskrankheiten des Universitätsspitals Lausanne (CHUV), untersucht mit seinem Team den Einfluss individueller genetischer Variationen auf die Immunreaktion von Patienten gegenüber bestimmten Krankheitserregern, insbesondere Hepatitis-C-Viren.

Teure Behandlungen vermeiden

Eine Variation des Gens für das antivirale Protein IFLN4 (Interferon Lambda 4) hat eine Schwächung der Immunreaktion zur Folge. Davon ist sowohl die Abwehr des Körpers gegen das Hepatitis-C-Virus als auch die Behandlung betroffen. "Nur ein Teil der Menschen produziert das Protein IFLN4 zusätzlich zum bei allen vorhandenen IFLN3", erklärt Bochud. Es sollte daher eigentlich eine weitere Waffe gegen Hepatitis C sein. Erstaunlicherweise ist es aber nicht so. "Es ist, als arbeite das Immunsystem bis zur Erschöpfung im Leerlauf, ohne das Virus wirklich bekämpfen zu können."

"Mit dem Nachweis dieser Genvariante könnten die Art und die Dauer der Behandlung individuell angepasst werden. Bei Personen ohne diese Variation könnte sie um mehrere Wochen verkürzt werden", meint der Spezialist. Die Behandlungen sind im Gegensatz zu früher in 90 Prozent der Fälle wirksam, gleichzeitig aber auch ausgesprochen teuer: 50 000 bis 200 000 Franken pro Patient. Mit einer schnellen Genanalyse für lediglich rund hundert Franken liesse sich rasch entscheiden, ob eine solche Behandlung sinnvoll ist.

Variationen der Gene IFLN3 und IFLN4 spielen auch bei der Abwehr des Cytomegalovirus eine wichtige Rolle. Das Virus verursacht bei einem geschwächten Immunsystem schwere Erkrankungen wie Blindheit bei fortgeschrittenem Aids oder eine Organabstossung nach Transplantationen. "Risikopatienten könnte man vorbeugend behandeln", erklärt Pierre-Yves Bochud.

Derselbe Mechanismus findet sich auch beim PTX3-Gen (Pentraxin 3). Eine Variation dieses Gens erhöht das Risiko für eine Lungeninfektion mit dem Schlauchpilz Aspergillus, die bei Leukämiepatienten nach einer intensiven Chemotherapie auftreten kann. Auch hier lässt sich das Risiko vorhersagen und die Betreuung individuell anpassen.

Mutation korrigieren ist schwierig

Jean Villard, Leiter des Nationalen Referenzlabors für Histokompatibilität der Universitätsspitäler in Genf, ist vom Nutzen dieser Forschung für die Präventivmedizin überzeugt. Wäre es denkbar, ungünstige Mutationen mittels Gentherapie zu korrigieren? "Eher nicht", meint Villard. "Im Allgemeinen sind ganze Konstellationen verschiedener Genvariationen beteiligt. Es ist sehr schwierig bis unmöglich, alle zu identifizieren und ihre Beziehungen untereinander festzustellen. Manche Variationen machen uns gegenüber bestimmten Krankheiten anfälliger, andere schützen uns davor."

Marie-Christine Petit-Pierre ist freie Journalistin.

A. Wójtowicz et al.: PTX3 polymorphisms and invasive mold infections after solid organ transplant. Clinical infectious diseases (2015)