Sparen: Parlament soll Risiko belohnen

Von Maurice Campagna

(Aus "Horizonte" Nr. 108 März 2016)​​​

Bund, Kantone und Gemeinden müssen sparen. Nun ist Sparen an sich nichts Schlechtes. Im Italienischen sagt man: "Tagliare i rami secchi per poter far crescere quelli nuovi." Sparrunden sind immer gute Gelegenheiten sich zu überlegen, worauf es ankommt. Das Einstellen von Dingen wird Raum für Neues schaffen.

Die Freiheit in Lehre und Forschung, also die Autonomie, ist die tragende Säule der akademischen Welt. Dabei orientieren sich unsere besten Dozenten und Forscherinnen an Forschungsthemen, die im Wesentlichen auf internationaler Ebene gesetzt werden.

Die kleine Schweiz muss sich dabei immer fragen, was sie sich leisten kann, wo sie ihr Geld am besten anlegt und ob es sinnvoll ist, das Portfolio umzuschichten. Dies sind keine leichten Fragen, zudem mit risikoreichen Antworten. Dabei darf kein Ansatz tabu sein. Japan zum Beispiel hat kürzlich eine Reorientierung der Geisteswissenschaften und der Fusionsforschung angekündigt.

Das Parlament ist damit konfrontiert, dass Investitionen in Bildung und Forschung – isoliert und kurzfristig betrachtet – risikoreich sind. Trotz Beschleunigung der Forschungsprozesse, etwa dank Simulationen mit Grosscomputern, lassen sich innerhalb einer Legislaturperiode Handmeist noch keine konkreten Resultate erreichen. Noch unwahrscheinlicher ist deren Umsetzung in praktische Anwendungen mit produktivem ökonomischem Ausgang.

Investitionen in Bildung und Forschung brauchen also einen langen Atem. Bund und Kantone sollten primär ein Beet anlegen, auf dem exzellente Forschung gedeiht. Ein Beet, das zuallererst Forscherinnen und Forscher fördert, die über ein "feu sacré" verfügen – auch wenn deren Weg lang und steinig ist. Wenn junge, motivierte Forscherinnen und Forscher oft mit älteren, erfahrenen Kollegen ihre besten kreativen Jahre investieren, gehen sie ein beträchtliches Risiko ein. Dieses Risiko muss von Geldgebern belohnt werden.

Das Parlament sieht sich nicht nur mit den Unwägbarkeiten von Bildung und Wissenschaft konfrontiert, sondern muss das gesamte Bundesbudget im Auge behalten – über den Zeithorizont der eigenen politischen Tätigkeit hinaus. Dass Forscherinnen und Forscher sich häufig unbeholfen vermarkten, etwa im Vergleich mit der Landwirtschaft, erleichtert die Angelegenheit nicht. Ist es sinnvoll, gerade die geplanten Investitionen in Bildung, Forschung und Innovation besonders stark zu kürzen? In einer Zeit, in der wir vor allem in Köpfe investieren sollten? Würde nicht das Image unseres Landes unter den Sparschnitten irreversibel leiden, gerade bei jungen, hervorragenden Talenten?

Maurice Campagna ist seit dem 1. Januar 2016 Präsident der Akademien der Wissenschaften Schweiz.