Mikroben: Die neuen Partner der Bauern

Pilze und Bakterien machen Böden fruchtbar oder schaden den Pflanzen. Mit molekularbiologischen Methoden versuchen Forschende, Nützlinge und Schädlinge zu unterscheiden.Von Florian Fisch

(Aus "Horizonte" Nr. 110 September 2016)​​​

Die Menschheit steht vor erheblichen Herausforderungen, wenn sie mehr Nahrung für eine wachsende Weltbevölkerung produzieren muss und dabei die Umwelt nur minimal beeinträchtigen darf." Mark Bailey vom Centre for Ecology and Hydrology im englischen Wallingford betrachtet die grossen Zusammenhänge. Sein Studienobjekt hingegen ist zu klein für das blosse Auge: die Gemeinschaft der Bakterien, Pilze und anderer Mikroben im Boden.

Geht es um die Bodenmikroflora, ist in vielen Fachartikeln gar von einer Revolution die Rede. Gern vergleicht man mit der Erfindung des Ackerbaus vor 10 000 Jahren oder der Entwicklung von Hochleistungssorten vor 50 Jahren. Ausgelöst wurde die gegenwärtige Aufbruchsstimmung durch neue molekularbiologische Methoden, die es erlauben, ganze mikrobielle Gemeinschaften aufs Mal zu analysieren (siehe "Mikroben identifizieren am Laufmeter").

Die Bakterien eines anderen Lebensraums, des Darms, sorgen zurzeit für Schlagzeilen. Dort helfen sie uns verdauen, schützen uns vor Krankheiten und Allergien, stellen Vitamine her und beeinflussen möglicherweise sogar unseren Gemütszustand. In den USA wurden bereits mehrere Projekte zum Studium dieser Gemeinschaften lanciert: Das Human Microbiome Project startete 2008. Der Boden rückte 2010 im Earth Microbiome Project, an dem auch Mark Bailey beteiligt ist, ins Zentrum. Und im Mai 2016 investierte die US-Regierung über 100 Millionen Dollar in eine themenübergreifende National Microbiome Initiative.

Mit Mist kommt Vielfalt

In der Schweiz ist Franco Widmer von der Eidgenössischen Forschungsanstalt Agroscope in Reckenholz einer der Experten für die mikrobielle Diversität im Boden. Die zu bestimmen ist eine grosse Herausforderung: "In einem Gramm Boden befinden sich bis zehn Milliarden Mikroorganismen, die etwa 7000 verschiedenen Arten angehören." Er und ein Team der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) haben die Mikroflora in Böden verglichen, die über Jahrzehnte mit biologischem oder konventionellem Landbau bearbeitet wurden (siehe "Ackerbau im Langzeitvergleich").

Dabei zeigte sich, dass vor allem die Art der Düngung einen grossen Einfluss auf die Mikroben hatte. Böden, auf denen Mist und Gülle ausgebracht wurde, hatten eine grössere Diversität als rein mineralisch gedüngte. Wurde überhaupt nicht gedüngt, beheimateten sie wieder andere Bakterien- und Pilzgemeinschaften.

Für eine neue, noch nicht publizierte Arbeit beobachteten die Forschenden um Widmer je zehn verschiedene Wald-, Acker- und Wiesenböden in der Schweiz über fünf Jahre. Auch hier war das mikrobielle Artenspektrum im Untergrund charakteristisch für den Typ Landschaftsnutzung darüber. "Wir können anhand der Mikroflora sagen, um welche Art von Boden es sich handelt", sagt Widmer. Und die Zusammensetzung änderte sich kaum über die Zeit.

Bakterien schützen vor Pilzen

Welchen Einfluss umgekehrt Bakterien und Pilze auf die Gesundheit der Pflanzen haben, studiert Monika Maurhofer von der ETH Zürich im Labor. "Wir wissen, dass es krankheitsfördernde und -unterdrückende Böden gibt", sagt Maurhofer. Die grosse Frage ist dabei allerdings, welche der vielen Kleinstlebewesen dafür wichtig sind.

Im Nationalen Forschungsprogramm "Ressource Boden" (NFP 68) untersuchten die Forschenden, ob für ihre Antipilzaktivität bekannte Bodenbakterien, so genannte Pseudomonaden, die Pflanzen tatsächlich schützen können. Deshalb haben sie zehn Böden aus verschiedenen Weizenfeldern gesammelt und auf drei Pseudomonaden-Arten untersucht. Sie bestimmten, ob die für die Arten typischen Gene vorhanden waren. Anschliessend wurden die Böden im Labor wieder mit Weizen bepflanzt und krankheitserregenden Pilzen untersucht. Wie erwartet fanden sie grosse Unterschiede zwischen den Böden. Es gab auch einen Zusammenhang mit der Präsenz der Pseudomonaden, doch der war eher schwach.

Diversität ist nicht alles

"So einfach ist die Sache offenbar nicht", folgert Maurhofer: "Ideal wäre, wenn wir Zeigerorganismen hätten, die uns sagen, ob ein Boden für den Weizenanbau geeignet ist oder nicht." Unter Bodenbiologen sind historische Tabakmonokulturen aus Morens bei Payerne (VD) bekannt, in denen erstaunlicherweise über Jahrzehnte keine Probleme mit pathogenen Pilzen auftauchten. Gerne wüsste man, was diese Böden so gesund machte. Eines ist für Maurhofer klar: "Es gilt nicht generell: Je diverser die Mikroflora, desto gesünder der Boden. Eine gewisse Diversität ist wichtig, aber wir kennen die relevanten Arten noch nicht." Von einer molekularbiologischen Qualifizierung des Ackers sind wir also noch weit entfernt.

Dem pflichtet auch Bailey vom Earth Microbiome Project bei: "Die Manipulation des Mikrobioms unter Feldbedingungen ist experimentell schwer zu erreichen." Die Rolle der gesamten Mikroflora ist schwierig zu bestimmen. Trotz aller Unklarheiten betont er: "Fruchtbare Ackerflächen weisen auch die höchste bakterielle Diversität auf." Eine höhere Vielfalt kann gleichzeitig mehr schützende Organismen und auch eine grössere Zahl von Krankheitserregern bringen.

Die Gesundheit der Böden kann durchaus beeinflusst werden. Die mechanische Bearbeitung führt zu einer starken Verdichtung und damit zu einer schwächeren Belüftung. Die Böden werden durch die damit einhergehende Veränderung der Mikroflora für gewisse Pflanzen toxisch. Die pfluglose Bearbeitung wird daher angestrebt. Auch eine abwechslungsreiche Fruchtfolge verhindert die Anreicherung gewisser Krankheitserreger.

Sogar die Beigabe von gewissen Kleinstlebewesen hat einen positiven Effekt auf die Pflanzengesundheit. Zum Beispiel können Schadinsekten erfolgreich mit Fadenwürmern biologisch bekämpft werden. Gute Pilze werden gegen Maikäfer eingesetzt und Pseudomonaden gegen schlechte Pilze.

Symbiose-Pilze züchten

Die bekanntesten Nützlinge sind jedoch Mykorrhiza-Pilze, die mit den Wurzeln der Pflanzen eine Symbiose eingehen. Die Pilzsporen werden in der biologischen Landwirtschaft schon länger zusammen mit dem Saatgut ausgebracht. Ian Sanders von der Universität Lausanne ging noch einen Schritt weiter und erfand eine Methode, wie diese Pilze gezielt gezüchtet werden können. Reiskulturen im Labor und erste Freilandversuche mit Maniokkulturen zeigten beeindruckende Ertragssteigerungen.

Sanders formulierte 2014 seinen Traum im Podcast Gastropod so: "Während Jahrtausenden haben Menschen dank natürlicher genetischer Variation Pflanzen gezüchtet und den Ertrag erhöht. Es gibt keinen Grund, warum wir dies mit Mykorrhiza- Pilzen nicht auch tun könnten." Auch diese Revolution wird jedoch noch viele Jahre dauern.

Florian Fisch ist Wissenschaftsredaktor des SNF.

Ackerbau im Langzeitvergleich

Seit 1978 läuft in Therwil bei Basel ein einzigartiger Langzeitvergleich fünf verschiedener Arten der Landwirtschaft: biodynamisch, bioorganisch, konventionell-integriert, konventionell- mineralisch und völlig ungedüngt. Nach bald 40 Jahren Laufzeit des DOKVersuchs zeigt sich, dass der Ertrag bei den biologischen Verfahren je nach Kultur bis zu 20 Prozent tiefer ist. Im Gegenzug muss dafür aber insgesamt auch bis zu 35 Prozent weniger Energie aufgewendet werden – die Herstellung von Dünger und Spritzmitteln mit eingerechnet. Der Versuch ist eine Zusammenarbeit von Agroscope und dem FIBL.

Mikroben identifizieren am Laufmeter

Mit modernen molekularbiologischen Methoden ist es möglich, in wenigen Tagen fast alle Bakterien und Pilze in verschiedenen Lebensräumen zu bestimmen – sei es im menschlichen Darm oder im Boden. Dafür wird nach bestimmten Genen (beispielsweise für die Ribosomen-RNA) gesucht, anhand derer die Mikroben verschiedenen Gruppen zugeordnet werden. Es entsteht ein Überblick über die gesamte mikrobielle Gemeinschaft – das Mikrobiom – und deren Diversität.