Drei Fliegen auf einen Streich

Mit Fliegenmaden können organische Abfälle in tropischen Ländern rascher kompostiert werden. Das verbessert die hygienischen Bedingungen und die Bodenfruchtbarkeit. Und die Maden enden erst noch als wertvolles Fischfutter. Von Simon Koechlin

(Aus "Horizonte" Nr. 110 September 2016)​​​

Die Schwarze Waffenfliege ist eine wahre Fressmaschine – zumindest im Larvenstadium. Trotz ihres martialischen Namens allerdings keine, die jemandem etwas zu Leide tun würde. Ihre Larven ernähren sich von verrottendem organischem Material wie Lebensmittelresten oder Dung. "Sie verkleinern in kurzer Zeit den Grossteil von praktisch jeglicher Art von organischen Abfällen", sagt Noah Adamtey vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) in Frick.

Adamtey leitet den wissenschaftlichen Teil eines Projekts, das die Fresslust von Larven der Waffenfliege (Hermetia illucens)in Entwicklungsländern einsetzen will. Durchgeführt wird es im Grossraum von Ghanas Hauptstadt Accra. "Wie in andern Grossstädten in tropischen Gebieten ist die Kompostierung in Accra mangelhaft", sagt Adamtey. Das führt einerseits zu enormen Hygieneproblemen, denn organische Abfälle machen in Entwicklungsländern mehr als die Hälfte des gesamten Mülls aus. Andererseits ist es eine Verschwendung natürlicher Ressourcen – zumal die rasch wachsende Bevölkerung auf eine produktive Landwirtschaft angewiesen wäre, die Böden aber ausgelaugt und wenig fruchtbar sind.

Futter für Fische und Vögel

Deshalb wollen FIBL-Forschende in Zusammenarbeit mit ghanaischen Kollegen in Accra das Kompostieren für die Einheimischen lohnend machen. Dazu wird organischer Müll mit winzigen Waffenfliegenmaden versehen. Weil diese die Abfälle in Rekordzeit zerkauen und verkleinern, verkürzt sich die Kompostierungszeit laut Adamtey um rund einen Drittel auf weniger als 80 Tage. Den wertvollen Kompost können die Landwirte auf ihren Feldern ausbringen. Ein weiteres Ziel des Projekts ist es, die Maden der Waffenfliege weiterzuverwenden – als Futter in Fischzuchten, die in Ghana Mühe haben, den Fischbedarf der Bevölkerung zu decken. "Die Larven sind, was ihren Protein- und Fettgehalt und ihr Aminosäurenprofil betrifft, eine extrem interessante Tiernahrung", sagt Adamtey.

Dem stimmt Stefan Diener vom Wasserforschungsinstitut Eawag in Dübendorf zu, der selbst Schwarze Waffenfliegen als Abfallverwerter studiert. Bei ugandischen Hühnerzüchtern zum Beispiel, die ihr Futter traditionell selbst mischen, sehe er Potenzial für den Verkauf von getrockneten Larven. Ein geplantes Eawag-Projekt in Indonesien möchte die lebendigen Larven an heimische Singvogelhalter verkaufen.

Der wichtigste Punkt bei solchen Projekten sei aber, den organischen Abfällen in Entwicklungsländern einen Wert zu geben, sagt Diener. "Lassen sich die Abfälle nicht wirtschaftlich nutzen, bleiben riesige Müllberge liegen und werden zu einem stinkenden Problem." Es hänge von den lokalen Gegebenheiten ab, ob die Waffenfliege die beste Lösung sei. "Ist der Energiebedarf in einer Region sehr gross, könnten zum Beispiel Biogasanlagen rentabler sein." Die organischen Abfälle werden dabei hauptsächlich in Methan umgewandelt.

Wenn Larven auf Schrott beissen

Es gelte, auch mögliche Fallstricke im Einzelfall genau abzuklären, sagt Diener. Denn für die Waffenfliegenkompostierung braucht es zum Beispiel vor Ort eine fortlaufende Produktion von Fliegeneiern oder ein rationelles Trennverfahren, um die reifen Maden vom Kompost zu trennen. "Und man muss sicher sein, dass die Abnehmer der Larven ein Tierfutter akzeptieren, das sich von Abfall ernährt hat." Dann habe die Waffenfliege grosses Potenzial.

So wie in Accra, wo laut Adamtey das FIBL-Projekt auf Kurs ist. Die grundlegenden biologischen Untersuchungen seien mittlerweile abgeschlossen, nun werde ein Leitfaden zur Kompostierung mit Waffenfliegen für die Bevölkerung erstellt. Ein Problem bleibt allerdings bestehen: Vielfach werden in Ghana organische Abfälle nicht von anorganischen getrennt. Das erschwert die Kompostierung. Denn an Plastik, Glas oder Elektronik beissen sich selbst die Larven der Schwarzen Waffenfliege ihre Mundwerkzeuge aus.

Simon Koechlin ist Wissenschaftsjournalist und Chefredaktor der "Tierwelt".