"Ich sehe mich als Kartografin"

Nach der Teilnahme an einem Artist-in-Residence-Programm auf einem Schiff im Nordpolarmeer im Jahr 2014 ist Sandra Kühne soeben in Saudi-Arabien angekommen. Die Zürcher Künstlerin wird im Rahmen eines Artists-in-Labs-Residence-Programms drei Monate in einem Labor für Meeresbiologie an der KAUST verbringen, der wichtigsten technischen Universität Saudi-Arabiens in der Nähe von Dschidda.

(Aus "Horizonte" Nr. 111 Dezember 2016)

Was interessiert Sie an der Meereskunde?

Es ist ein multidisziplinäres Forschungsgebiet, das Biologie, Ökologie und Ozeanografie verbindet. Ich interessiere mich für den Austausch von Wissen mit Forschenden. Ich möchte Ähnlichkeiten und Unterschiede bei der Visualisierung von Daten und bei der Kartierung von räumlichen und flüchtigen Phänomenen wie Meeresströmungen diskutieren.

Weshalb Saudi-Arabien?

Wegen des Red Sea Research Center an der KAUST und dessen Erforschung des Korallenriffs. Korallenriffe gehören zu den vielfältigsten Ökosystemen der Welt. Gleichzeitig sind sie sehr fragil und bestehen aus Gemeinschaften voneinander abhängiger Arten. Ich möchte diese Komplexität und Verletzlichkeit verstehen. Dabei werde ich nach Wegen suchen, Themen des Wechselspiels, des Gleichgewichts und symbiotischer Beziehungen künstlerisch darzustellen.

Wie hängt ihre Kunst mit der Meereskunde zusammen?

Ich glaube, dass es viele Gemeinsamkeiten zwischen Wissenschaft und Kunst gibt: von der Entwicklung von Ideen, Beobachtungsmethoden, Arbeitsprozessen und Visualisierungen bis hin zur Modellierung. Ich setze in meiner künstlerischen Forschung und Praxis Methoden der Kartografie ein. Ich erforsche Strategien zur Kartierung des wirklichen Raums und des Sprachraums. In meinen Papierschnitten und Installationen übersetze ich zwischen Zweidimensionalität und Dreidimensionalität. Ich erschaffe Zeichnungen und Karten als Objekte in einem Raum, in dem die Linien ihre Balance verlieren: Sie verschieben sich und verändern ihre Form, genau wie die zerbrechlichen Ökosysteme.​​