Probleme lösen statt fördern

1929, im Jahr des grossen Börsencrashs an der Wall Street, gab es 61 Todesopfer bei Flugzeugabstürzen – einen Toten pro 1,6 Millionen Kilometer.

(Aus "Horizonte" Nr. 114 September 2017)​​​

​Jeder Unfall schien inakzeptabel, weshalb die Luftfahrt die Sicherheit weiter verbessern musste: Materialien wurden entwickelt und getestet, kritische Systeme redundant geführt, der Unterhalt optimiert. Die Pilotenausbildung berücksichtigt psychologische Aspekte, damit nicht eine zu strenge Cockpit-Hierarchie ein rettendes Eingreifen verhindert. Ergebnis: 70 Jahre später sind tödliche Unfälle in der Luftfahrt 10 000-mal seltener.

In der Finanzwelt ist eine solche Entwicklung schwer vorstellbar. Wirtschaftskrisen sind auch heute alles andere als eine Seltenheit: In den 1930er Jahren betrug die Arbeitslosenquote in den USA 25 Prozent, ebenso 2012 in Spanien. "Krisen kommen alle 10 Jahre", mahnt die Wirtschaftswissenschaft ziemlich hilflos. Diese fatalistische Haltung befremdet, wenn gleichzeitig Forschung dazu betrieben wird, wie teuer ein absichtlich komplex gestaltetes Derivat verkauft werden soll. Ist es legitim, die Entwicklung solcher "Massenvernichtungswaffen der Finanzbranche", wie Warren Buffet sie genannt hat, mit Steuergeldern zu finanzieren?

Wie die Aviatik ist die Ökonomik eine Wissenschaft, die sich weiterentwickeln kann. In erster Linie muss sie für die Gesellschaft relevante Fortschritte bringen. Die Wirtschaftswissenschaften sollten sich ernsthaft bemühen, das System weniger anfällig zu machen, Denkschulen zusammenzuführen sowie sich von häufig kritisierten Dogmen wie effizienten Märkten oder dem Homo oeconomicus, die in der Realität kaum zu finden sind, distanzieren.

Die Herausforderungen sind immens: Es gilt, die Folgen des Klimawandels und der Desinvestitionen in fossile Treibstoffe vorauszusehen, demografische Schocks und die Verlagerung der Weltproduktion aufzufangen, gesellschaftliche und ökologische Kosten in die Bilanzen einzubeziehen, alternative Wachstumsmodelle in einer Welt mit endlichen Ressourcen zu entwickeln oder die Steuervermeidung von Konzernen, die mächtiger sind als ganze Länder, in den Griff zu bekommen.

Der Bildung kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Die Universitäten bilden heute die Elite von morgen aus. Wir sollten dafür sorgen, dass sie daran arbeitet, diese Probleme zu lösen – statt sie zu fördern.

Daniel Saraga, Chefredaktor