Ruf nach einer Ernährungsstrategie 2050

Dieses Bild zeigt einen Landwirt, der seine Alpwiesen für die Sommersaison vorbereitet.

Das NFP 69 empfiehlt dem Bund, eine Ernährungsstrategie 2050 auszuarbeiten. Diese Strategie soll es der gesamten Bevölkerung ermöglichen, sich für eine gesunde Ernährung aus nachhaltiger Produktion und Verteilung zu entscheiden.

​Ist es möglich, sich gesund zu ernähren – mehr Gemüse, Obst und Nüsse zu essen – und gleichzeitig die Umweltauswirkungen unseres Konsums sowohl in der Schweiz als auch im Ausland zu reduzieren? Das vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanzierte Nationale Forschungsprogramm "Gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion" (NFP 69) beantwortet diese Frage mit Ja. Gemäss den im Rahmen des Programms entwickelten Modellen kann das Schweizer Ernährungssystem heute und morgen eine gesündere Ernährung bieten. Und diese Ernährung könnte auf nachhaltigen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebssystemen basieren und damit gleichzeitig die Versorgungssicherheit des Landes verbessern.

Um dies zu erreichen, braucht die Schweiz eine klare Strategie zur Anpassung und Umstellung des Ernährungssystems bis im Jahr 2050. Diese Strategie muss die Ziele und Instrumente festlegen, die es der gesamten Bevölkerung ermöglichen, sich für eine gesunde Ernährung aus nachhaltigen Systemen zu entscheiden. Die Ernährungsstrategie 2050 kann sich auf die Ergebnisse des NFP 69 stützen. Dieses Programm befasste sich mit den Bereichen von Forschung und Entwicklung, die für die Erarbeitung und Umsetzung dieser Ernährungsstrategie 2050 zentral sind.

Nahrungsmittelverschwendung und -verlusten den Kampf ansagen

Ein Element des NFP 69 betrifft Lebensmittelverschwendung. Forschende haben in verschiedenen Projekten Empfehlungen entwickelt, die zur Reduzierung von Verschwendung und Verlusten von Lebensmitteln entlang der Nahrungsmittelkette beitragen. Dazu gilt es insbesondere rein ästhetische Qualitätskriterien anzupassen, welche den Verlust von Nahrungsmitteln zur Folge haben, neue Konservierungsmethoden einzusetzen und intelligente Verpackungen zu entwickeln, die den tatsächlichen Zustand der konservierten Lebensmittel anzeigen. Diese Problematik ist für die Schweiz von grosser Bedeutung, da unsere Ernährung zur Hälfte von ausländischer Versorgung abhängt: Es ist nicht sinnvoll, Lebensmittel zu importieren, die letztendlich nicht auf dem Teller der Konsumierenden landen. Wie das NFP 69 zeigt, spiegelt sich diese starke Abhängigkeit vom Ausland in der Tatsache wider, dass zwei Drittel des ökologischen Fussabdrucks der Schweizer Ernährung ausserhalb der Landesgrenzen anfallen: Der wirksamste Weg, diesen Fussabdruck zu verringern, ist die konsequente Bekämpfung von Nahrungsmittelverlusten und -verschwendung.

Landwirte als Akteure der öffentlichen Gesundheit

Ein gesenkter Fleischkonsum verbessert die Gesundheit der Bevölkerung und verringert die Umweltbelastung infolge von Viehzucht. Dieses Reduktionziel muss jedoch die wirtschaftliche Bedeutung der Fleisch- und Milchproduktion in der Schweizer Landwirtschaft berücksichtigen. In diesem Zusammenhang sollte die Ernährungsstrategie 2050 als zweites Element Instrumente für einen Wandel in der Landwirtschaft aufzeigen. Insbesondere sollten die Verluste, die durch einen verringerten Fleischkonsum entstehen, bei der Subventionierung von Bauernfamilien ausgeglichen werden. Die Schweizer Landwirtschaft soll auch stärker als Akteurin der öffentlichen Gesundheit aufgestellt werden, indem die einheimische Produktion von Obst, Nüssen, Gemüse und Hülsenfrüchten stärker unterstützt wird.

Konsumentinnen und Konsumenten stärker einbeziehen

Die Ernährungsstrategie 2050 soll drittens die politische Beteiligung der Konsumentinnen und Konsumenten fördern. Eine Anpassung der Ernährungsweise ist ohne die Zustimmung der Bevölkerung nicht möglich. Es ist wichtig, dass alle über glaubwürdige Informationen und Empfehlungen verfügen, um zu einem Wandel in den Bereichen Ernährung, Umwelt und Gesundheit beitragen zu können. Deshalb müssen auch Überzeugungen, die eine wissenschaftliche Grundlage entbehren, ernst genommen und angemessen widerlegt werden. Die Konsumentenverbände sollten sich an der Entwicklung von Richtlinien in gleicher Weise beteiligen können wie Verbände, die die Landwirtschaft, die Industrie, die Gastronomie, den Umweltschutz und die Gesundheitsförderung vertreten. Das NFP 69 empfiehlt dem Bund zudem zu prüfen, das Beschwerderecht auf Konsumentenverbände auszuweiten und ihnen zu erlauben, Sammelklagen einzureichen.

Alle Akteure entlang der Nahrungsmittelkette ansprechen

Ein viertes Element der Ernährungsstrategie 2050 besteht darin, die Produktion, die Verarbeitung und den Vertrieb von gesunden und nachhaltigen Lebensmitteln entlang der gesamten Nahrungsmittelkette zu fördern und zu verbessern. Zahlreiche Forschungsgruppen des NFP 69 erarbeiteten dazu spezifische Empfehlungen: beispielsweise in den Bereichen der Landwirtschaftsbetriebe, der Verschmutzung des Bodens, Massnahmen in Kantinen oder an Durchgangsorten wie Bahnhöfen. Andere Forschungsgruppen entwickelten neue Instrumente zur Kontrolle der Energiebilanz im menschlichen Körper und zur Unterstützung beim Abnehmen sowie neue Ansätze zur Bekämpfung von Mangelerkrankungen.

Gesunde Ernährung aus nachhaltiger Lebensmittelproduktion. Synthese des Nationalen Forschungsprogramms "Gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion" (NFP 69) (PDF)

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Forschung und Entwicklung sollen eine zentrale Rolle spielen

Das NFP 69 schlägt in seinen Empfehlungen vor, die Bereiche entlang der Nahrungsmittelkette von der Produktion über den Vertrieb bis zum Konsum stärker miteinander zu vernetzen: Die Bündelung der Ressourcen in den Bereichen Landwirtschaft, Umwelt und öffentliche Gesundheit soll zur Ausarbeitung einer Ernährungsstrategie für die Schweiz bis im Jahr 2050 führen. Diese verstärkte Durchlässigkeit betrifft auch die Forschungslandschaft. Tatsächlich ist das NFP 69 die erste gemeinsame wissenschaftliche Initiative, um Überlegungen zuhanden der Akteure der Nahrungsmittelkette auszuarbeiten. Allerdings reichten nur wenige Forschungsgruppen inter- oder transdisziplinäre Projekte ein. Eine Reihe öffentlich finanzierter F&E-Projekte, die Brücken zwischen den verschiedenen Blickwinkeln auf das Ernährungssystem schlagen, sollte daher gefördert werden. Darüber hinaus sollte die Forschung dazu beitragen, ein Überwachungssystem für die Schweizer Nahrungsmittelkette aufzubauen. Es bleibt festzuhalten, dass die Schweiz im Vergleich mit anderen Ländern im Rückstand ist: Die erste nationale Ernährungsstudie wurde erst im Jahr 2013 durchgeführt.

Nationales Forschungsprogramm "Gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion" (NFP 69)

Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der zunehmenden Bedeutung der Ernährung für die menschliche Gesundheit untersuchte das NFP 69 Wechselwirkungen zwischen Ernährung, Gesundheit und Umwelt. Das NFP 69 liefert eine Reihe von Analysen und Empfehlungen, die auf den Ergebnissen von 26 Forschungsprojekten basieren, die zwischen 2013 und 2019 durchgeführt wurden. Das Budget betrug 13 Millionen Franken. Die Ergebnisse und Empfehlungen der einzelnen Projekte wurden in Summary-Sheets zusammengefasst. Eine Synthese fasst die übergreifenden Ergebnisse des Programms zusammen. Mithilfe eines Online-Tools können Konsumentinnen und Konsumenten testen, wie sich verschiedene Anpassungen der Ernährung auf Gesundheit und Umwelt auswirken: www.gesundundnachhaltig.ch.

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