Der europäische Patient

Über das Projekt Eupati sollen europäische Patientenorganisationen stärker in die klinische Forschung eingebunden werden. Auch die Schweiz macht mit. Von Irène Dietschi

​Die Gründer der Internetplattform patientslikeme.com haben es schon vor zehn Jahren erkannt: Im modernen Gesundheitswesen begnügen sich Patientinnen und Patienten nicht mehr mit der Rolle der demütigen Dulder und Versuchskaninchen. Entwicklungen wie die personalisierte Medizin schaffen neue Machtverhältnisse, in denen Patienten mitreden und mitentscheiden wollen. Über das Teilen von Gesundheitsdaten will "Patients like me" erreichen, dass Patienten an therapeutischen Innovationen nicht nur partizipieren, sondern diese auch steuern – indem im Internet Interessen gebündelt oder neue Forschungsansätze wie "Crowdsourcing" (Datenerhebung durch die Nutzer) ermöglicht werden.

Nun geht die Europäische Union einen Schritt weiter, indem sie Patienten stärker in die klinische Forschung einbindet. Unter dem Label Eupati, Kurzform für "European Patients’ Academy on Therapeutic Innovation", sollen Patientenorganisationen in zwölf europäischen Ländern untereinander vernetzt und mit Vertretern der Industrie sowie akademischen Forschungsinstitutionen zusammengebracht werden. 29 europäische Gruppierungen, bestehend aus Vertretern von Patienten- und Nonprofit-Organisationen sowie den wichtigsten Pharmaunternehmen, haben sich unter der Federführung des European Patients’ Forum zu einem Konsortium zusammengeschlossen. "Der Patient rückt in der klinischen Forschung von der Peripherie in die Mitte und wird zum Partner", sagt Annette Magnin, Geschäftsführerin der Swiss Clinical Trial Organisation SCTO. Die SCTO ist gemeinsam mit dem Positivrat Schweiz (Patientenorganisation HIV-Betroffener), dem Universitätsspital Basel sowie einer Industrievertretung daran, Eupati auf Schweizer Ebene zu initiieren.

Eupati hat zum Ziel, patientenzentrierte Informationen zu schaffen und Patientenvertreter so auszubilden, dass sie bei der Entwicklung neuer Medikamente und Therapiekonzepte die "Betroffenenseite" einbringen. Dieser Prozess verläuft auf verschiedenen Ebenen: Trainierte Patienten-"Experten" geben ihr Wissen an die leitenden Vertreter von Patientenorganisationen weiter, diese wiederum informieren ihre Mitglieder. Flankiert wird das Ganze von Informationen im Internet, die allen zur Verfügung stehen werden.

Kritische Beurteilung durch Laien

Doch um welche Patientenbedürfnisse geht es? Nicht um spezifische Krankheiten oder Therapien, wie Annette Magnin klarstellt, sondern um Themen, die viele angehen: personalisierte Medizin, Nutzen und Risiken bei neuen Medikamenten oder die Verantwortung und aktive Rolle von Patienten in klinischen Studien. "Gut informierte Patienten spielen eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, klinische Forschungsstrategien umzusetzen, Zulassungsprozesse zu verbessern oder Behandlungspfade zu optimieren", so das Grundprinzip von Eupati. Das Vorgehen erinnert ein wenig an die in den 1990er Jahren populären Bürgerpanels. Gut möglich, dass sich die Aussagekraft klinischer Studien verbessern wird, wenn sie von Beginn weg der kritischen Beurteilung von Laien unterzogen werden.

Ein grundsätzlicher Nutzen für die schweizerischen Patienten besteht in der internationalen Vernetzung. "Über Eupati können Patientenorganisationen, deren eigene Ressourcen in der Regel beschränkt sind, auf die Infrastruktur und die Kontakte eines europaweiten Netzwerks zurückgreifen", sagt Annette Magnin. Der internationale Zugang sei wesentlich für das "Patienten-Empowerment", die Handlungsmöglichkeiten erweiterten sich.
(Aus "Horizonte" Nr. 101, Juni 2014)