Tobias Kippenberg erhält den Schweizer Wissenschaftspreis Marcel Benoist

Tobias Kippenberg erhält den Schweizer Wissenschaftspreis Marcel Benoist
© Daniel Rihs

Der Physiker Tobias J. Kippenberg erhält den Schweizer Wissenschaftspreis Marcel Benoist 2025 für seine exzellenten Arbeiten in der Quanten-Optomechanik und zur Erzeugung von optischen Frequenzkämmen.

Mit einer Dotation von CHF 250'000 gilt der Schweizer Wissenschaftspreis Marcel Benoist als «Schweizer Nobelpreis». Der diesjährige Preisträger Tobias J. Kippenberg, ordentlicher Professor für Physik und Leiter des Laboratoriums für photonisch integrierte Schaltungen und Quantenmessungen an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL), wird für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen in der Quanten-Optomechanik, sowie der Erzeugung von optischen Frequenzkämmen mittels optischer Mikroresonatoren ausgezeichnet. Mit seinem Team forscht der Wissenschaftler an der Schnittstelle zwischen Quanten- und nichtlinearer Optik. Seine Erkenntnisse in der Quanten-Optomechanik haben es erlaubt, Quantenphänomene auch in makroskopischen (mit blossem Auge erkennbaren) mechanischen Systemen zu beobachten, während seine Forschung zu chipbasierten Frequenzkämmen den Grundstein für zukünftige Technologien wie etwa der optischen Telekommunikation legte.

Interaktion von Licht

Seit über 20 Jahren forscht Tobias Kippenberg in der Quanten-Optomechanik. Dieses Forschungsfeld widmet sich der Interaktion zwischen Licht (Photonen) und mechanischen Objekten auf der Quanten-Ebene, also der Ebene der Atome und subatomaren Teilchen. Auf dieser Ebene gelten die Gesetze der klassischen Physik nicht mehr. Während die Quantenphysik in den letzten Jahrzehnten die Quantenkontrolle von Atomen, Ionen und Molekülen ermöglicht hat, stellt die Quantenkontrolle makroskopischer mechanischer Oszillatoren seit langem eine Herausforderung dar. Solche Oszillatoren sind in Wissenschaft und Technik allgegenwärtig: Sie werden beispielsweise in der Zeitmessung, als Filter in Mobiltelefonen, in Rasterkraftmikroskopen oder in Gravitationswellendetektoren eingesetzt.

2005 gelang dem Physiker ein bedeutender Durchbruch. Er konnte als erster Forscher weltweit den bereits 1969 vom russischen Physiker Vladimir Braginsky vorhergesagten Effekt der dynamischen Rückkoppelungsverstärkung beobachten: Strahlungsdruck des Lichts kann Objekte nicht nur in Bewegung versetzen, sondern auch in der Bewegung verstärken. Durch diesen Prozess entsteht auch die sogenannte Seitenbandkühlung, ein Kühleffekt, der heute bei Experimenten zu Quantenphänomenen weite Anwendung findet. Die Quanten-Optomechanik ermöglichte somit erstmalig die Beobachtung und Erforschung von Quantenphänomenen auf makroskopischer Ebene.

Frequenzkämme für hochpräzise Messungen

Durch optische Frequenzkämme ist es möglich, Lichtzyklen zu zählen. Für diese revolutionäre Entdeckung erhielten Theodor W. Hänsch und John L. Hall 2005 den Nobelpreis für Physik. Nur zwei Jahre später entdeckte Tobias Kippenberg mit seinem Team eine neue Methode, um mittels optischer Mikroresonatoren Frequenzkämme zu erzeugen, die über aussergewöhnlich hohe Wiederholungsraten und optische Bandbreiten verfügen und dabei auf einem Chip Platz finden. Diese unerwartete Beobachtung brach mit dem herkömmlichen Dogma, dass optische Kämme nur mit gepulsten Laserquellen erzeugt werden können. Damit hatten die Forschenden die Grundlage für eine bedeutende Weiterentwicklung der optischen Messtechnik gelegt und ein neues Forschungsfeld eröffnet. Die Entdeckung der mikroresonatorbasierten Frequenzkämme hat viele weitere Fortschritte ermöglicht: Mikrokämme haben das Potenzial, die Datenübertragungsrate erheblich zu erhöhen. Sie haben auch Anwendungspotenzial in zahlreichen anderen Bereichen, darunter neuromorphes Rechnen, ultraschnelle Abstandsmessungen (LIDAR) oder optische Atomuhren. Mikrokämme bieten auch eine neue experimentelle Umgebung zur Erforschung komplexer physikalischer Systeme und von Musterbildung in nichtlinearen Systemen.

Ebenfalls haben die Forschenden verlustarme photonisch integrierte Schaltungen entwickelt, basierend auf Silizium Nitrid. So können chipbasierte optische Frequenzkämme mit herkömmlichen Halbleiter-Fertigungsverfahren hergestellt werden. Darüber hinaus ist es mit dieser neuartigen verlustarmen Wellenleitertechnologie gelungen, eine Vielzahl von optischen Systemen auf einen Chip zu bringen, darunter auch einen optischen Verstärker. Die Nachfrage nach solchen Verstärkern, die eine höhere Leistung bringen und dabei gleichzeitig kompakter sind als bisherige Verstärkergenerationen, steigt: Hochleistungscomputersysteme, Rechenzentren und KI sind darauf angewiesen, immer grössere Datenmengen in kürzester Zeit verarbeiten zu können.

Tobias Kippenberg ist es wichtig, dass seine Erkenntnisse auch praktische Anwendung finden: «Unsere Forschung auf dem Gebiet der Quanten-Optomechanik ist Grundlagenforschung, aber es ist mir ebenfalls ein besonderes Anliegen, mit unserer Forschung zu photonisch integrierten Schaltungen den Grundstein für zukünftige Technologien zu legen». Durch die Mitgründung des Unternehmens LIGENTEC hat er verlustarme photonisch integrierte Schaltungen für die Forschung und die Industrie zugänglich gemacht.

Für Tobias Kippenberg ist der Schweizer Wissenschaftspreis Marcel Benoist «eine grosse Ehre, Anerkennung der vielen Einzelbeiträge meines Forscherteams über die vergangenen 20 Jahre, und stellt für mich persönlich eine Motivation dar, mich weiterhin meiner Forschung zu widmen».

Gemeinsame Preisverleihung im Bundeshaus

Für die wissenschaftliche Selektion des Preisträgers und der Preisträgerin war der Schweizerische Nationalfonds (SNF) im Auftrag der Marcel Benoist Stiftung und der Fondation Latsis zuständig. Die gemeinsame Verleihung der Schweizer Wissenschaftspreise findet am 6. November 2025 im Parlamentsgebäude in Bern statt. Die Präsidenten der jeweiligen Stiftung werden die Preise im Beisein von Bundesrat Guy Parmelin und Nationalratspräsidentin Maja Riniker überreichen.

Der Schweizer Wissenschaftspreis Marcel Benoist

Der Preisträger 2025: Tobias J. Kippenberg

Tobias J. Kippenberg, geboren 1976, ist Professor für Physik an der EPFL, wo er das Laboratorium für Photonik und Quantenmessungen leitet. Nach seinem Studium an der RWTH Aachen und der Promotion am California Institute of Technology (2004) forschte er am Max Planck Institut für Quantenoptik, bevor er 2008 einen Ruf als Assistenzprofessor nach Lausanne annahm. Er ist unter anderem auswärtiges Mitglied der «US National Academy of Engineering», Mitglied der Leopoldina, Träger des ZEISS Research Awards, des Fresnel Prize der European Physical Society (2009) und des Helmholtz Prize for Metrology (2009). Seit 2014 gehört er zu den 1% meist zitierten «Clarivate highly cited» Autoren in der Physik. Er ist Autor von mehr als 30 Publikationen in Nature und Science. 2014 wurde er mit dem Nationalen Latsis Preis ausgezeichnet. Tobias Kippenbergs Arbeiten schaffen Grundlagen für ultrapräzise Zeitmessung, Quantensensorik und Hochgeschwindigkeitskommunikation. Seine Forschung verbindet fundamentale Quantenphysik mit anwendungsnaher Technologieentwicklung.

Weiterführende Informationen zum Preisträger und seiner Forschung sind unter folgendem Link abrufbar: https://marcel-benoist.ch/preistraeger-2025External Link Icon.

Die Marcel Benoist Stiftung

Seit 1920 zeichnet die Marcel Benoist Stiftung jedes Jahr herausragende Forschung aus, die für das menschliche Leben von Bedeutung ist. Sie ehrt damit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die für die Exzellenz des Forschungsplatzes Schweiz stehen. Bereits elf Preisträger haben später den Nobelpreis erhalten. Das Nominations- und Evaluationsverfahren wird seit 2018 vom SNF im Auftrag der Marcel Benoist Stiftung durchgeführt. Der Preis 2025 wird im Bereich der Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften vergeben.