Bakterien zeigen wie Artenvielfalt geht und wann Schluss ist damit

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Eine Computersimulation von der Entstehung neuer Bakterienarten zeigt: Zwei scheinbar widersprüchliche Hypothesen zur Biodiversität sind vereinbar.

In jedem Ökosystem tummelt sich eine Vielfalt von verschiedenen Lebewesen. Doch irgendwann gibt es keinen Platz mehr für neue Arten. Die Wissenschaft ist sich uneins darüber, warum das so ist. Einige glauben, dass die Ressourcen, die in der Umwelt zur Verfügung stehen – oder eben nicht, der limitierende Faktor sind. Andere vertreten die Hypothese «Diversität erzeugt Diversität»: Durch die Interaktion bereits existierender Arten entstehen neue ökologische Nischen, die wiederum neuen Arten Lebensraum bieten. Sind alle möglichen Nischen gefüllt, ist Schluss.

Forschende der Universität Zürich und des Instituts für Bioinformatik in Lausanne haben die beiden Hypothesen nun mit einem Computermodell getestet. Dafür fütterten sie das Programm mit tausenden biochemischen Reaktionen, mit deren Hilfe sie den Stoffwechsel von tausend bekannten Bakterienarten simulieren konnten. Ausgehend von einer einzigen Bakterienart und einer einzigen Nährstoffquelle verfolgten sie, wie sich in dieser Modell-Umgebung neue Bakterienarten entwickelten.

Zuerst die Nische, dann die Ressource

Dabei zeigte sich, dass beide Hypothesen zutreffen – allerdings nicht gleichzeitig, sondern hintereinander: Zunächst produzieren die Bakterien neue Stoffwechselprodukte, die die Lebensgrundlage für weitere Bakterienarten bilden, also gleichbedeutend mit neuen ökologischen Nischen sind. Sind diese zusätzlichen Lebensräume besetzt, entstehen trotzdem weiter neue Arten – bis die vorhandenen Ressourcen aufgebraucht sind.

Laut dem vom SNF geförderten Evolutionsbiologen Andreas Wagner spielen ähnliche Mechanismen wohl auch bei der Entwicklung der Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren eine Rolle. Bei höheren Organismen sind die Interaktionen jedoch viel komplexer als in der Welt der Bakterien und lassen sich deswegen (noch) nicht am Computer simulieren.

M. San Roman und A. Wagner: Diversity begets diversity during community assembly until ecological limits impose a diversity ceiling. Molecular Ecology (2021)

Kontakt

Andreas Wagner
Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften
Universität Zürich
Winterthurerstrasse 190
8057 Zürich

Tel.: +41 44 635 6141
E-Mail:
andreas.wagner@ieu.uzh.chExternal Link Icon