Inhalt von Social Media scheint nicht relevant

Ein Daumen, durch Instagram scrollend.

Wer stundenlang auf Instagram Fotos und Video anschaut, hält den Inhalt sozialer Medien trotzdem nicht unbedingt für wichtig. Das Abstimmungsbüchlein gewinnt hier deutlich, wie eine Studie zeigt.

Ob Google, YouTube oder Instagram − oft entscheiden nicht wir, sondern Algorithmen darüber, was wir im Internet zu Gesicht bekommen. Einerseits befürchten viele deshalb, dass unser Denken dadurch immer mehr manipuliert wird. Andererseits messen Menschen diesen Diensten nicht unbedingt eine hohe Relevanz zu, obwohl sie viel Zeit mit solchen Anwendungen verbringen, wie eine vom SNF unterstütze Studie zeigt.

Für die Untersuchung ermittelte das Team von der Universität Zürich, wie relevant über 1000 Versuchspersonen die Informationen aus verschiedenen Quellen einschätzen – dabei ging es nicht nur um Online-Inhalte, sondern auch um Offline-Alternativen wie Zeitungen, Fernsehen oder Familie. «Diese werden im direkten Vergleich dazu oft ausser Acht gelassen», sagt die Medienforscherin und Co-Autorin Tanja Rüedy.

Doch wie sich herausstellte, sind solche traditionellen Quellen immer noch wichtig, etwa für die politische Meinungsbildung. «Uns hat zum Beispiel überrascht, dass beinahe 70 Prozent der Befragten dem Schweizer Abstimmungsbüchlein Relevanz zuweisen», so Rüedy. Ähnlich gut schnitten Fernsehen, Radio, Zeitungen und persönliche Kontakte ab. Zum Vergleich: Den Inhalt von Algorithmen-gesteuerten sozialen Medien hielten nur etwa 20 Prozent für relevant. Vergleichbare Resultate ergaben sich auch für andere Lebensbereiche wie Gesundheit und Kaufentscheide.

Suchmaschinen mehr geachtet

Die Forschenden können dabei jedoch nicht ausschliessen, dass die Befragten die Relevanz von sozialen Medien bewusst abwerten, weil darüber öffentlich viel Negatives berichtet wird − etwa im Zusammenhang mit Fake News und Filterblasen.

Ebenfalls unerwartet war, dass den Empfehlungen von Suchmaschinen deutlich mehr Relevanz zugewiesen wurde als sozialen Medien. Möglicherweise ist weniger bekannt, dass auch diese mit Algorithmen arbeiten − dies wurde in der Studie jedoch nicht ermittelt. «Im Allgemeinen ist Internet-Nutzenden oftmals nicht bewusst, wo überall algorithmische Selektion zum Einsatz kommt. Dieses Bewusstsein sollte verstärkt gefördert werden», so Rüedy.

Die Erkenntnisse liefern somit ein weiteres Puzzlestück dafür, den Einfluss von Algorithmen auf unser Leben besser zu verstehen. «Das Ziel ist letztendlich, die damit verbundenen Risiken für unsere Gesellschaft richtig einzuschätzen», sagt Erstautor Michael Reiss.

M. V. Reiss, N. Festic, M. Latzer and T. Rüedy: The relevance internet users assign to algorithmic-selection applications in everyday life. Studies in Communication Sciences (2021)External Link Icon