Der Roboterhund ANYmal nimmt Tempo auf

© ZVG / ANYbotics

ANYbotics automatisiert die Überwachung von Ölplattformen, Windparks oder Stahlwerken. Mitgründer und CEO Péter Fankhauser will das ETH-Zürich-Spinoff zu einer weltweit führenden Adresse im milliardenschweren Inspektionsgeschäft machen.

50 Kilo Gewicht, 14 Motoren, zwölf Gelenke zehn optische Sensoren, zwei Mikrofone, zwei Gasdetektoren, eine Wärmebildkamera und natürlich ein Stromanschluss für den Akku: Dies die wichtigsten Kennzahlen des Laufroboters ANYmal.

Péter Fankhauser nimmt den Laptop einer Teststation zur Hand und gibt dem ANYmal via WLAN einen Auftrag. Er soll auf das vier Meter hohe Baugerüst steigen, das die ANYbotics-Leute aufgebaut haben, und einen Gasdruckmesser ablesen. Der Roboter orientiert sich und klettert die Treppe hoch. Er fotografiert die Anzeige, ermittelt einen digitalen Wert und schickt ihn auf Fankhausers Laptop.

Der ANYbotics-CEO hat sichtlich Freude an seinem Geschöpf. Es ist wendig, robust und tut zuverlässig, was man ihm aufträgt. «Wir schreiben eine Schweizer Ingenieurstradition fort, die ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert hat», sagt Fankhauser.

Tatsächlich gilt made in Switzerland seit den Tagen von Johann Jakob Sulzer, Alfred Escher, Charles Brown und Walter Boveri als Qualitätssiegel. Aktuell beschäftigen die rund 10’000 Betriebe der Schweizer Maschinen-, Metall- und Elektroindustrie gut 300’000 Menschen, sie verdienen jeden dritten Exportfranken und tragen knapp sieben Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei.

Begehrte Fachkräfte

Die Branche steht allerdings unter einem enormen Innovationsdruck. Die Herausforderung besteht darin, die Geräte und Maschinen mit Künstlicher Intelligenz (KI) auszustatten, sie autonom zu betreiben und kollaborativ mit Menschen interagieren zu lassen. «Wir befinden uns in der Pionierphase der Entwicklung», sagt Péter Fankhauser, «die Reise hat eben erst begonnen».

So kommt es, dass Staaten und Unternehmen Milliarden in die Entwicklung von KI investieren. Dass die Schweiz mithalten kann, hat sie in erster Linie ihren Hochschulen zu verdanken. Besonders die beiden ETHs geniessen in der internationalen scientific community einen ausgezeichneten Ruf, wie diverse Rankings immer wieder belegen.

Allein an der ETH Zürich schliessen jedes Jahr über 200 internationale Spitzentalente Robotik auf der Masterstufe ab. Sie sind begehrt auf dem Arbeitsmarkt und mit ein Grund, weshalb Nvidia, Microsoft, Apple, Google, Boston Dynamics oder Meta am Zürichsee eigene Robotik- und KI-Labors betreiben.

Auch Péter Fankhauser studierte an der ETH Zürich. Er doktorierte mit einer Arbeit über die «wahrnehmungsfähige Fortbewegung für Laufroboter in unwegsamem Gelände». Direkt danach gründete er mit Kollegen ANYbotics.

Roboter belohnen

«Wir versuchten die beiden grossen Stärken der Schweizer Planungs- und Regelungstechnik in ein kommerzielles Produkt zu übersetzen», erklärt Fankhauser in seinem Büro in Zürich Oerlikon. Die Rede ist von zielgerichteter Verarbeitung von optischen Daten (Computervision) und von planmässiger Fortbewegung in unbekannten Räumen (Locomotion).

Das Team war damals im Wyss Zürich untergebracht, einem vom schweiz-amerikanischen Medtech-Milliardär Hansjörg Wyss finanzierten Startup-Inkubator der ETH Zürich und der Universität Zürich. 2019 kam der erste vierbeinige Inspektionsroboter auf den Markt, brachte aber noch nicht die nötige Leistung.

«Insbesondere im Bereich der planmässigen Fortbewegung hinkten wir Mitbewerbern wie Boston Dynamics hinterher», erzählt Fankhauser. Die Rettung kam aus dem Robotic Systems Lab der ETH Zürich unter Leitung von Marco Hutter, einem weiteren Mitgründer von ANYbotics.

Hutter integrierte eine belohnungsbasierte Lernsoftware (Deep Reinforcement Learning) in ein virtuelles Realitätsmodell. Der Roboter klinkt sich in diese Simulation ein, bekommt ein Ziel vorgesetzt und versucht es via Versuch und Irrtum zu erreichen. Fortschritte werden belohnt, Fehlschläge mit Punktabzügen bestraft.

Die Resultate sorgten international für Aufsehen: Dem Robotic Systems Lab gelang es, die Anlernphase von autonomen Systemen von Tagen und Wochen auf wenige Stunden zu verkürzen. 2020 stand das Tool zur Verfügung. ANYbotics war der erste Anwender und errang gewissermassen über Nacht die weltweite Technologieführerschaft.

ANYmals schlafen nicht

Seither läuft es rund in Oerlikon. Aktuell sind 200 Laufroboter im Einsatz. Zu den Kunden zählen der Ölkonzern BP oder der finnische Stahlhersteller Outokumpu. Sie schicken ihre vierbeinigen Mitarbeiter dorthin, wo Menschen ungern sind. Die ANYmals laufen rund um die Uhr Anlagen ab, sie erfassen bei Wind, Regen und Schnee Betriebsdaten und melden Unregelmässigkeiten.

Seit November 2024 betreibt die Zürcher Firma eine Niederlassung in San Francisco. Im Mai 2025 gewann ANYbotics den Export Award der Schweizer Aussenwirtschaftsförderung S-GE, im September sammelte das Startup weitere 20 Millionen Franken Risikokapital ein; insgesamt sind es jetzt über 120 Millionen Franken.

ANYmal X, der weltweit erste Inspektionsroboter für explosionsgefährdete Areale, wird im kommenden Jahr verfügbar sein. An dessen Geschichte lässt sich aufzeigen, wie der Transfer von Grundlagenforschung in ein marktfähiges Produkt Wertschöpfungseffekte auslöst; beim innovierenden Unternehmen selbst, aber auch in der Zulieferkette.

Funkenflug kann in einem Gas- oder Chemiewerk Katastrophen verursachen. Deshalb mussten für den ANYmal X massgeschneiderte Batterien, Lüftungen oder Motoren mit Explosionsschutz entwickelt werden. Partner für den Antriebsteil war die Maxon Gruppe. Die Obwaldner Firma hat sich mit ihrer Maxon International Technology AG im Nachbargebäude von ANYbotics eingemietet.

«Wir agieren in einem weitverzweigten Netz von Lieferanten, Innovations-, Vertriebs- und Businesspartnern», betont Péter Fankhauser die Bedeutung eines industriellen Ökosystems, zu dem auch der deutsche Lohnfertiger Zollner gehört. In dessen Schweizer Fabrik wird der Laufroboter produziert.

Während im zürcherischen Hombrechtikon die Serienproduktion anläuft, plant Fankhauser die nächsten Entwicklungsschritte. Mittelfristig soll der ANYmal nicht nur inspizieren, sondern auch Arbeiten ausführen.

Die wissenschaftlich-technischen Grundlagen legt ANYbotics mit dem Robotic Systems Lab der ETH Zürich. Dort untersucht zurzeit ein Doktorand, wie ein Roboterarm beschaffen sein müsste, der Hebel umlegt, Schalter betätigt oder gar Schrauben nachzieht.