Von Abwasser bis Waldgesundheit: 326 Millionen für die Vielfalt der Forschung

Von Abwasser über digitale Beweismittel bis zu Waldgesundheit: Mit seinem grössten Förderinstrument unterstützt der SNF 346 Projekte aus der gesamten Vielfalt der Schweizer Forschungslandschaft mit 326 Millionen Franken.
«Mit der Projektförderung unterstützt der SNF die gesamte Bandbreite und Vielfalt der Schweizer Grundlagenforschung», sagt Pascal Fischer, Leiter der Abteilung Projektförderung. «Erfahrene Forschende wählen ihre Projektthemen eigenständig und reichen ihre Gesuche beim SNF ein. In einem kompetitiven Auswahlverfahren werden daraus die überzeugendsten Projekte ausgewählt.»
Dazu gehört zum Beispiel das Projekt von Emiliana Fabbri. Herkömmliche Technologien können Mikroverunreinigungen durch Antibiotika oder Pestizide nicht aus dem Abwasser entfernen. Die Forscherin vom Paul Scherrer Institut sucht deshalb nach neuen Katalysatoren, um Wasser mithilfe von Strom von solchen Schadstoffen zu reinigen. Dabei analysiert sie die chemischen Prozesse, die bei der sogenannten elektrochemischen Oxidation ablaufen. Durch ein besseres Verständnis der Reaktionen sollen effizientere und nachhaltigere Methoden zur Wasserreinigung entwickelt werden.
Mehr als 1200 Projekte evaluiert
Emiliana Fabbris Projekt ist eines von 346 Forschungsvorhaben, die der SNF im Rahmen der Projektförderung unterstützt (bei der hier präsentierten Auswertung sind Weave- und Lead-Agency-Projekte nicht enthalten, weitere Beispiele siehe Box). Der SNF lanciert für sein grösstes Förderinstrument zwei Mal jährlich eine Ausschreibung. Bei jener im vergangenen Frühling wurden insgesamt 1228 Projekte evaluiert. Knapp ein Drittel dieser Gesuche werden in den kommenden Jahren mit 326 Millionen Franken unterstützt.
Nächste Ausschreibung Anfang 2026
Während ein Drittel der geförderten Projekte in den Lebenswissenschaften angesiedelt sind, stammen je ein Viertel der Projekte aus den Geistes- und Sozialwissenschaften und aus dem Bereich der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT). Einen etwas geringeren Anteil machen interdisziplinäre Projekte aus (15%).
Die nächste Ausschreibung zur Projektförderung öffnet Anfang 2026. Eingabefrist ist der 1. April 2026.
Geistes- und Sozialwissenschaften
Welche Auswirkungen hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine auf die russische Gesellschaft? Dieser Frage gehen Jan Matti Dollbaum von der Universität Freiburg und Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen auf den Grund. Sie untersuchen, inwiefern die Bevölkerung staatliche Gewalt akzeptiert, wie stark ausgeprägt die Solidarität innerhalb und zwischen gesellschaftlichen Gruppen ist und wie öffentliche Informationen wahrgenommen werden. So können sie den gesellschaftlichen Wandel in Kriegszeiten nachzeichnen und herausfinden, wie sich politische Einstellungen unter dem autoritären Regime entwickeln.
Zur Aufklärung von Straftaten werden elektronische Beweismittel, sogenannte E-Evidence, immer wichtiger. Dazu gehören Chatverläufe, E-Mails, Standortdaten oder IP-Adressen. Bei der Erhebung von solcher E-Evidence greifen die Strafverfolgungsbehörden jedoch häufig in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger ein. Weil das Schweizer Strafprozessrecht kaum geeignet auf die digitale Beweiserhebung ausgerichtet ist, erarbeitet Monika Simmler von der Universität St. Gallen in ihrem Forschungsprojekt Grundlagen für eine umfassende Schweizer E-Evidence-Regulierung. Dazu untersucht sie, welche Anforderungen sowohl das Schweizer als auch das internationale Recht an eine solche Regulierung stellen, und erarbeitet konkrete Vorschläge für deren Weiterentwicklung.
Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik
Für die Erforschung des Klimawandels ist es entscheidend, dass wir vergangene Klimaereignisse wie Sonnenstürme oder Gletscherbewegungen verstehen und erkennen. Dies kann durch die Analyse radioaktiver Atome in Eis- oder Gesteinsproben mit Hilfe der Beschleunigermassenspektroskopie (AMS) geschehen. Christof Vockenhuber von der ETH Zürich und seine Mitarbeiter wollen das weltweit erste kompakte AMS-System bauen, das mit innovativer Technik die Genauigkeit von Messungen verbessert. Das neue System wird kosteneffizienter und leichter zugänglich sein. Im Vergleich zur derzeit verfügbaren Technik wird es möglich sein, mehr Proben auszuwerten. Die neue Technik hat zudem das Potenzial in Bereichen ausserhalb der Klimaforschung eingesetzt zu werden.
Lebenswissenschaften
Charlotte Grossiord und ihr Team an der EPFL werden die langfristigen Auswirkungen intensiver Hitzewellen auf Waldökosysteme und das Überleben von Bäumen untersuchen. Es ist bekannt, dass steigende Lufttemperaturen und heisse Trockenperioden die Gesundheit der Wälder gefährden. Unklar ist jedoch, wie sich Bäume von extremer Hitze erholen und wie sie sich daran gewöhnen. Das Forschungsprojekt untersucht die Resilienz von Wäldern und die Fähigkeit von Pflanzen in verschiedenen Entwicklungsstadien Hitzestress zu widerstehen. Die Resultate werden die nachhaltige Bewirtschaftung und Wiederherstellung betroffener Ökosysteme unterstützen.
Um Nierenkrankheiten besser zu verstehen und neue Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln, werden im Labor gezüchtete Nierenmodelle eingesetzt, die auf Nierenzellen basieren. Diese Modelle können das echte Organ aber nicht in aller Komplexität abbilden. Maurizio Gullo von der Fachhochschule Nordwestschweiz und Stefan Rudloff vom Inselspital Bern wollen dieses Problem gemeinsam angehen. Im Projekt RENAISSANCE planen sie die Entwicklung eines "Nephron-on-Chip", das die Funktion der Niere nachahmt, indem es voll entwickelte Nierensegmente integriert. Jedes Segment übernimmt seine spezifische Rolle und interagiert mit den anderen. Die Ergebnisse dieser Forschung werden dazu beitragen, neue Medikamente und personalisierte Behandlungsstrategien für Nierenkrankheiten zu entwickeln sowie die Notwendigkeit von Tierversuchen zu verringern.
Interdisziplinäre Projekte
An der Universität Zürich führt Judith Burkart ein Forschungsprojekt über Alterzentrismus durch. Der Begriff befasst sich mit der Tatsache, dass unsere Gedanken nicht nur von der eigenen Perspektive geprägt sind, sondern auch von dem, was andere sehen, wissen oder glauben. Alterzentristisches Denken galt einst als späte kognitive Fähigkeit. Doch heute geht man davon aus, dass sich bereits Kleinkinder in Andere hineinversetzen können. Die Forscherin untersucht, ob diese Art zu Denken auch bei nichtmenschlichen Primaten vorhanden ist. Durch die Kombination von Primatenkognition, Entwicklungs- und vergleichender Psychologie mit Experimenten und Beobachtungen will die Studie die evolutionären Wurzeln des Alterzentrismus aufdecken.
Gisela Michel von der Universität Luzern und André von Bueren von der Universität Genf untersuchen die Erfahrungen von Vätern, deren Kinder an Krebs erkrankt sind. Die Studie vereint pädiatrische Onkologie, klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie. Anhand von Umfragen und Interviews verfolgen die Forschenden die psychische und physische Gesundheit der Väter während und nach der Behandlung ihres Kindes. Darauf basierend entwickelt das Projekt evidenzbasierte Empfehlungen - die Ersten in der Schweiz - um Väter in dieser Situation zu unterstützen. Die daraus abgeleiteten Massnahmen müssen sich an der Praxis und an kulturellen Besonderheiten orientieren. Auch müssen sie sowohl auf klinischem Fachwissen als auch auf Erfahrungen der Betroffenen beruhen.