Zwischen Akademie und Administration

Ein Hamsterrad. © Daniel Müller

Sie akquirieren Drittmittel, koordinieren den "Wissenstransfer" und halten die Forschungsfäden zusammen: Zwischen Wissenschaft und Verwaltung agierende Personen sind an den Hochschulen unübersehbar. Von Irène Dietschi

​Für die "Plant Fellows" ist Romy Kohlmann eine wichtige Person. Plant Fellows heisst ein internationales Postdoc-Förderprogramm in Pflanzenwissenschaften, das von der Europäischen Union finanziert und vom Zurich-Basel Plant Science Center koordiniert wird, einem Kompetenzzentrum für Pflanzenwissenschaften der ETH und der Universitäten Zürich und Basel. Als Programme Officer ist Romy Kohlmann die erste Anlaufstelle für die Forschenden, darüber hinaus nimmt sie eine Vielzahl von Aufgaben wahr: Sie schreibt Berichte für die EU, organisiert die Jahrestreffen der gegenwärtig vierzig Fellows oder unterstützt diese beim Wissenstransfer ihrer Forschungsergebnisse. "Es ist ein spannender und vielfältiger Job", sagt Romy Kohlmann, die in Leipzig und Lausanne Politologie studiert hat. Wichtig sei, dass man das Wesen der Forschung verstehe, betriebswissenschaftliche Kenntnisse allein genügten nicht.

Der Job des Programme Officer ist weder eindeutig wissenschaftlich, noch ist er der Verwaltung zuzuordnen, er liegt irgendwo dazwischen. "Third Space" wird dieser wachsende Bereich an der Schnittstelle von Akademie und Administration genannt, und ihre Vertreterinnen und Vertreter, auf der Suche nach einer adäquaten Bezeichnung, nennen sich Wissenschafts- oder Forschungsmanager; auch "Hochschulprofessionelle" ist gängig. Ihr Anteil an den Angestellten der Hochschulen ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Das liegt nicht nur am allgemeinen Wachstum der Hochschulen, sondern auch an den komplexer werdenden organisatorischen Aufgaben, die damit verbunden sind. Zentral ist zum Beispiel das Akquirieren von Drittmitteln. Auch Managementaufgaben – die Leitung eines Studiengangs, eines Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) oder eines Instituts – werden häufig nicht mehr allein von Professoren, sondern von Wissenschaftsmanagern wahrgenommen.

Fokus auf dem Management

"Hochschulprofessionelle haben zwar einen akademischen Hintergrund und sind in einem Fach verankert, aber ihr Fokus liegt auf dem Management", sagt Patricia Gautschi vom Zentrum für universitäre Weiterbildung der Universität Bern. Gautschi leitet eine universitäre Weiterbildung in Forschungsmanagement, zudem hat sie in zwei Studien die Situation der Wissenschaftsmanager an mehreren Deutsch- und Westschweizer Hochschulen untersucht. Die Ergebnisse zeichnen ein heterogenes Bild, was sich allein schon in den Zahlen äussert: An einer zentral organisierten Hochschule wie der ETH Zürich liegt der Anteil der Wissenschaftsmanager bei 2,8 Prozent aller Angestellten, an der Universität St. Gallen mit ihren dezentralen Strukturen liegt er mit 4,1 Prozent deutlich höher.

Die Ergebnisse von Patricia Gautschi zeigen, dass es nicht selten den Wissenschaftsmanagern zu verdanken ist, wenn Forschungsprojekte erfolgreich sind. Allerdings sind die Rahmenbedingungen eher schwierig: Oft sind die Stellen befristet, die Stellenprofile schwammig, die Spannbreite der formellen Einstufung und der entsprechenden Besoldung gross. Sie erstreckte sich bei den Befragten von "höheren Sachbearbeitern" mit Doktortitel bis hin zu Oberassistentinnen ohne Dissertation. Als schwierig empfinden Hochschulprofessionelle die Skepsis, die ihnen aus dem akademischen Bereich entgegenschlägt. "Manche Wissenschaftler haben eine grundsätzliche Aversion gegen alles, was nicht klassisch akademisch ist und was Managementcharakter hat", stellt Patricia Gautschi fest.

Ökonomisierung der Akademie?

Diese Aversion äussert sich teilweise im Unwillen, Aufgaben und Kompetenzen zu delegieren, nach dem Motto "Das braucht es nicht" oder "Wir können das selber besser". Viele Wissenschaftler würden verkennen, welche Fähigkeiten Third-Space-Mitarbeitende mitbrächten. Sie sähen in ihnen oftmals feindliche Wesen, welche die Ökonomisierung der Akademie vorantrieben – und dabei die Mittel aufsaugten, die für Forschungsziele vorgesehen wären. "Die Situation ist paradox", sagt Patricia Gautschi, "denn für die Wissenschaftsseite ist es ja entlastend, wenn sie bestimmte Aufgaben, die wenig mit ihrem Kerngebiet zu tun haben, an Profis abgeben kann." Sie vermutet, dass vielerorts die "manageriale" Kultur fehlt und dass die traditionellen Strukturen von Hochschulen es erschweren, Neuerungen zuzulassen.

Mit der Zeit bleibt ihnen aber wohl nichts anderes übrig, denn: "Fakt ist, dass die Universitäten ohne Professionelle nicht mehr funktionieren würden." Das sagt Thomas Breu, Co-Direktor des Zentrums für Entwicklung und Umwelt der Universität Bern und Koordinator des NFS Nord-Süd. Mit seiner Aussage verweist Breu auf die finanziellen Verhältnisse an den Hochschulen: Lebte zum Beispiel die Universität Bern früher vorwiegend von den Eigenmitteln, so besteht ihr heutiges Budget zum grösseren Teil aus Drittmitteln. Breus Zentrum erzielt einen Jahresumsatz von zehn Millionen Franken, aber "nur" zwei Millionen stammen von der Universität. "Hinter solchen Zahlen stehen Managementleistungen, welche die akademische Seite nicht allein zu erbringen vermag", so Thomas Breu.

Resistenz und Humor

Der promovierte Geograf hat während seines Berufslebens mehrere Third-Space-Positionen innegehabt. Mit 43 Jahren übernahm er die Koordination des Nationalen Forschungsschwerpunkts Nord-Süd – ein Grossprogramm mit nahezu 400 Forschenden und Büros in acht Weltregionen. "Für eine solche Stelle braucht es eine gewisse Resistenz und auch Humor", sagt Breu. Das Management-Know-how habe er sich über die Jahre selbst angeeignet. Wichtig findet Breu, dass Hochschulprofessionelle für sich ein eigenes Forschungsfeld beibehalten. Das hebe nicht nur ihren Status gegenüber den Wissenschaftlern, sondern helfe auch, die andere Seite besser zu verstehen. "Anders als in der Wirtschaft kann man in der Akademie nicht einfach Dinge verordnen."

Patricia Gautschi hat festgestellt, dass das Bedürfnis nach mehr Wissen über Third-Space-Tätigkeiten sehr gross ist – ihr Studiengang an der Universität Bern ist seit vier Jahren laufend ausgebucht. "Bei aller Skepsis steigt die Bereitschaft, sich mit Management-Themen auseinanderzusetzen", sagt sie. Viele Institute hätten erkannt, dass man sich durch professionalisierte Strukturen profilieren und von der Konkurrenz abheben könne.

Irène Dietschi ist freie Wissenschaftsjournalistin.
(Aus "Horizonte" Nr. 101, Juni 2014)