Konferenz zu Chancengleichheit in der Forschungsförderung: Neue Ideen vorantreiben

Der international besetzte Roundtable an der Konferenz "Gender and Excellence" © SNF

Das jährliche Treffen des Nationalen Forschungsrats des SNF bot Ende Oktober den Rahmen für die international besetzte Konferenz "Gender and Excellence". Diskutiert wurde unter anderem, wie der SNF die Chancengleichheit in der Forschungsförderung weiter vorantreiben kann.

Rund 200 Personen aus dem In- und Ausland fanden sich am zweiten Tag der Séance de Réflexion des Forschungsrats im Berner Kursaal ein. Susan Gasser, Direktorin des Friedrich Miescher Instituts und Professorin an der Universität Basel, eröffnete den Anlass zum Thema "Gender and Excellence: Challenges in Research Funding". Sie ist seit Mai dieses Jahres Präsidentin der neu zusammengesetzten SNF-Gleichstellungskommission.

Nicht zwischen Karriere und Familie entscheiden müssen

Obwohl in der Schweiz verhältnismässig viele Frauen eine höhere Ausbildung abschliessen, sind sie im Vergleich zum übrigen Europa und den USA in einflussreichen, akademischen Positionen stark untervertreten. Susan Gasser bezeichnete dies als grossen Nachteil nicht nur für Frauen, sondern für die Gesellschaft als Ganzes. "Was ist der Grund dafür, dass Frauen in akademischen Toppositionen so stark unterrepräsentiert sind?" fragte Gasser. Sie zeigte anhand verschiedener Studien, wie subtile geschlechtsspezifische Vorurteile Männer wie Frauen zur Annahme veranlassen, dass Männer bessere Wissenschaftler seien. "Frauen denken, sie müssten sich zwischen Karriere und Familie entscheiden und fragen sich folglich, ob sie wirklich gut genug für Spitzenkarrieren sind. Männer klettern die Karriereleiter hoch, ohne sich diese Fragen zu stellen", sagte Gasser. Es gelte Vorurteile abzubauen, und dazu könne auch der SNF durch seine Förderungspolitik beitragen.

Der Weg zur Exzellenz soll keine Rolle spielen

Als zweite Referentin stellte Claartje Vinkenburg, Professorin für Verhalten von Organisationen an der VU Amsterdam, eine im Auftrag des ERC durchgeführte Studie vor. Diese untersuchte Karrierewege von Forschenden, die ERC-Fördergelder erhalten oder beantragt hatten. Die Resultate zeigen, dass ganz unterschiedliche Laufbahnen zum Erfolg führen und Doppelkarrierepaare die Norm sind. Unkonventionelle Karrieren müssten laut Vinkenburg noch mehr gefördert werden und einem Karriereunterbruch dürfe nichts Negatives anhaften. Mithilfe der Studienresultate soll eine in Bezug auf das Geschlecht ausgewogenere Verteilung von ERC-Fördergeldern erreicht werden.

Exzellenz allein genügt nicht

Priyamvada Natarajan von der Yale University stellte im dritten Referat klar, dass Exzellenz alleine nicht genügt, um in der Wissenschaft erfolgreich zu sein. Geschlecht und Herkunft spielten noch immer eine entscheidende Rolle. Diese Aussage belegte die Professorin für theoretische Astrophysik mit eindrücklichen Ergebnissen diverser Studien. Gemäss Natarajan würden vor allem implizite Vorurteile viele Frauen an einer Karriere in der Wissenschaft hindern. "Wir benötigen ein Arbeitsklima, das Frauen das Gefühl vermittelt, willkommen zu sein. Es braucht aktives Mentoring und Netzwerke für Frauen, und wir müssen die familiäre Betreuung ganz allgemein unterstützen", sagte Natarajan. Dazu bräuchte es gemeinsame Anstrengungen von Politik und Wissenschaft.

Podiumsgespräch mit Nachwuchsforschenden

Anschliessend diskutierten die Referentinnen auf dem Podium mit den Nachwuchsforschenden Claire Gervais (SNF-Förderungsprofessorin) und Andréas Stauder (Professor und bis vor kurzem Ambizione-Beitragsempfänger) sowie dem Präsidenten des Nationalen Forschungsrats, Martin Vetterli. Gleich zu Beginn forderte Vetterli, dass die Spielregeln grundlegend geändert werden müssten: "Die Spielregeln der Wissenschaft sind von Männern definiert worden", hielt der SNF-Forschungsratspräsident fest. Der SNF wolle Anreize dafür schaffen, dass das nötige Umdenken an den Hochschulen stattfinden könne. Claire Gervais schlug vor, der SNF solle deutlicher machen, dass Forschende auch ein Privatleben hätten. Als Mutter, die Teilzeit arbeite, werde sie doppelt negativ beurteilt. "Viele Forschende denken, ich nähme meinen Beruf nicht ernst genug, und viele Mütter sind der Meinung, ich würde zu viel arbeiten". Andréas Stauder, dessen Frau im gleichen Fach tätig ist, kritisierte, dass in der Schweiz im Gegensatz zu den USA Anreize für Stellen für Doppelkarrierepaare fehlen würden. Dies hätte ihn dazu bewogen, einen Umzug in die USA in Betracht zu ziehen.

Empfehlungen der neuen Gleichstellungskommission

Susan Gasser stellte in ihrem Referat die wichtigste Empfehlung der Gleichstellungskommission vor, die sich im Sommer erstmals unter ihrem Vorsitz getroffen hatte: Die Einführung eines neuen Instruments für ausgezeichnete Nachwuchswissenschaftlerinnen auf Postdoc-Stufe, genannt PRIMA (promoting women in academia). Dieses Instrument soll gemäss Gasser die vor über 20 Jahren eingeführten Marie Heim-Vögtlin-Beiträge ersetzen. Im Rahmen des neuen Mehrjahresprogramms 2017-20 diskutiert der SNF diese und weitere Empfehlungen der Gleichstellungskommission, wie z. B. durchgängig familienfreundliche Massnahmen für beide Geschlechter. Auch an der Konferenz vorgeschlagene Massnahmen werden vom SNF geprüft.