Von ethnischer Spaltung bis Erbkrankheit: Unterstützung zukunftsweisender Forschung
Ansätze gegen ethnische Spaltung, Verbesserung selbstfahrender Autos oder umweltfreundliche Landwirtschaft: Der SNF unterstützt mit seinem grössten Förderinstrument 403 bedeutende Forschungsvorhaben mit 314 Millionen Franken.
Die Digitalisierung verändert unseren Alltag. Selbstfahrende Autos kommen zum Beispiel schon heute zum Einsatz, genauso wie Pflegeroboter. Alexandre Alahi von der EPF Lausanne will mit seinem Projekt neuartige und vielseitig einsetzbare Modelle entwickeln, die Bewegungen von Menschen genau und zuverlässig vorhersagen. Sie sollen insbesondere in der Lage sein, mehrere Objekte gleichzeitig wirksam zu erkennen und das Verhalten von jedem dieser Objekte zu antizipieren. Diese Eigenschaften würden den Umgang von autonomen Systemen mit Menschen sicherer machen – beispielsweise beim Einsatz in selbstfahrenden Autos oder in sozialen Robotern.
Gut 1000 Projekte evaluiert
Dieses Projekt kommt dank der Hilfe des SNF zustande: Es ist eines von 403 Forschungsvorhaben, die der SNF im Rahmen der Projektförderung unterstützt (bei der hier präsentierten Auswertung sind Weave- und Lead-Agency-Projekte nicht enthalten). Für dieses grösste Förderinstrument wird zweimal im Jahr eine Ausschreibung lanciert. Bei jener im vergangenen Frühling wurden insgesamt 1036 Projekte evaluiert. Davon wurden knapp 40 Prozent bewilligt. Diese Projekte werden in den kommenden Jahren mit insgesamt 313,9 Millionen Franken gefördert. 35 Prozent der Forschungsvorhaben entfallen auf den Bereich der Lebenswissenschaften, 27 Prozent auf jenen der Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften (MINT). Danach folgen die Projekte in den Geistes- und Sozialwissenschaften (25 Prozent) und interdisziplinäre Vorhaben (13 Prozent).
Frauenanteil leicht gesunken
Mehr als die Hälfte der unterstützten Forschenden arbeitet an Universitäten (54 Prozent), ein Viertel im ETH-Bereich. Der Anteil der Forschenden an Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und anderen Institutionen ist rückläufig, nachdem er in den letzten beiden Ausschreibungen noch angestiegen war. Nach zuletzt 16 Prozent liegt er nun bei knapp 9 Prozent.
Leicht rückläufig ist auch der Frauenanteil: Knapp 31 Prozent der erfolgreichen Gesuche reichten Frauen ein (gegenüber 32 Prozent bei der letzten Ausschreibung). Der Frauenanteil ist im Vergleich zum Vorjahr in allen Forschungsbereichen ausser im MINT-Bereich gesunken. In letzterem ist er dafür mit 25 Prozent so hoch wie in den vergangenen Jahren noch nie.
Die nächste Ausschreibung zur Projektförderung läuft bereits: Eingabefrist für neue Gesuche ist der 1. April 2025.
Weitere Beispiele geförderter Projekte
Geistes- und Sozialwissenschaften
- Wie nehmen wir Dialekte in Deutschland, Österreich und der Schweiz wahr? Warum empfinden wir manche als schön, freundlich oder intelligent? Und andere wiederum als arrogant? Diesen Fragen gehen Adrian Leemann und Erez Levon von der Universität Bern nach. Sie wollen aufzeigen, welche regionalen klanglichen Merkmale von Dialekten unsere Wahrnehmung beeinflussen und wie diese zu Vorurteilen führen können. Die gewonnenen Erkenntnisse können dazu beitragen, der Diskriminierung von Sprachgruppen entgegenzuwirken.
- Bosnien und Herzegowina gedenkt im Juli 2025 dem 30. Jahrestag des Völkermords von Srebrenica. Sandra Penic von der Universität Genf untersucht, ob solche Rituale nach Konflikten eine weitere ethnische Polarisierung in tief gespaltenen Gemeinschaften verhindern können. Mit der Entwicklung und Erprobung verschiedener psychologischer Interventionen will die Forscherin die wirksamsten Ansätze ermitteln, mit der sich eine Gesellschaft gegen ethnische Spaltung wappnen kann.
Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften
- Forschende der ETH Zürich, der Universität Zürich und der EPF Lausanne untersuchen gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich die Gleichverteilung in zahlentheoretischen Bereichen. Das Projekt beleuchtet das Zusammenspiel von Ordnung und Unordnung innerhalb natürlicher arithmetischer Strukturen. Das heisst: Die Forschenden untersuchen das Vorhandensein oder Fehlen von Mustern in Verteilungsproblemen der Zahlentheorie. Die Ergebnisse könnten zu bedeutenden Durchbrüchen führen – nicht nur in der Zahlentheorie, sondern auch in anderen Bereichen der Mathematik.
Lebenswissenschaften
- Die Primäre Ciliäre Dyskinesie (PCD) ist eine wenig erforschte genetisch bedingte Krankheit. Sie beeinträchtigt die Atemwege und verschiedene Organe, aber auch das psychische Wohlbefinden der Betroffenen. Myrofora Goutaki möchte den Krankheitsverlauf, die Auswirkungen von PCD auf die psychische Verfassung und die Belastung der Patientinnen und Patienten durch die medizinische Therapie besser verstehen. Ihr Projekt an der Universität Bern ist von grosser Bedeutung für die Behandlung von Menschen, die mit dieser seltenen Krankheit leben.
- Pilze bilden enge Gemeinschaften mit Bäumen, die sie über ihre Wurzeln mit Wasser und Nährstoffen versorgen. Sie sind daher wichtig für die Widerstandsfähigkeit des Waldes. In seinem Projekt an der Universität Basel beleuchtet Klaus Schläppi die Rolle dieser Pilze in tiefen Bodenschichten. Er erhofft sich neue Erkenntnisse zu den lebenswichtigen Funktionen der Pilze und ein allgemein besseres Verständnis der Rolle dieser Symbiose für die Waldgesundheit.
Interdisziplinäre Projekte
- Synthetische Fungizide werden bevorzugt gegen Pilzkrankheiten bei Kulturpflanzen eingesetzt, da sie wirksamer sind als die umweltfreundlicheren mikrobiellen Pflanzenschutzmittel. Saskia Bindschedler (Universität Neuenburg), Natacha Bodenhausen (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) und Alexandra Kämpfer-Homsy (Fachhochschule Westschweiz) verfolgen einen neuen Ansatz zur biologischen Bekämpfung von bodenbürtigen Pilzerregern, der auf Interaktionen zwischen Bakterien und Pilzen sowie Mikrofluidik basiert. Sie planen Feldversuche und wollen den Dialog zwischen der Forschung und den Produzentinnen und Produzenten in Gang bringen, um praxistaugliche Lösungen zu gewährleisten.
- Spina bifida («offener Rücken») ist der häufigste Geburtsfehler mit Beeinträchtigung des zentralen Nervensystems. Mögliche Folgeschäden sind eine Entwicklungsverzögerung und eingeschränkte motorische Fähigkeiten unterhalb der Läsionshöhe. Andras Jakab will mit dem klinischen Team des Spina Bifida Zentrums des Universitäts-Kinderspitals Zürich das Spektrum der durch die Spina bifida verursachten neurokognitiven Beeinträchtigungen mit bildgebenden Verfahren untersuchen. Dabei interessiert insbesondere, wie die Ergebnisse bildgebender Verfahren mit den klinischen Befunden wie Gehirnentwicklungsstörungen und dem spezifischen neurokognitiven Entwicklungsprofil bei Spina bifida zusammenhängen.