Keine Lust auf Big Brother

Überwachungskameras in Genf, 2007. / Keystone, Salvatore Di Nolfi

Ist mehr Sicherheit nur noch um den Preis von weniger Privatsphäre zu haben? Für viele Bürgerinnen und Bürger geht diese Rechnung nicht auf.

Schweizerinnen und Schweizer sind gegenüber staatlichen Eingriffen in die Privatsphäre besonders skeptisch. Nur 38 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass Überwachungstechnologien vom Staat routinemässig eingesetzt werden sollten; der europäische Durchschnitt liegt bei 54 Prozent. Dies ist eines der Resultate von "Surprise" (Surveillance, Privacy and Security), einer internationalen Studie, die im Auftrag der Europäischen Kommission in neun Ländern das Spannungsverhältnis zwischen modernen Sicherheitstechnologien und Grundrechten untersucht hat (www.surprise-project.eu). Über 2500 nach Zufallsprinzip ausgewählte Bürgerinnen und Bürger äusserten ihre Meinung zum Einsatz verschiedener moderner Überwachungstechnologien im öffentlichen Raum und im Internet. In der Schweiz hat das Zentrum für Technologiefolgen-Abschätzung TA-Swiss im Rahmen von "Surprise" in drei Sprachregionen je ein Diskussionsforum durchgeführt.

Nord-Süd-Gefälle

Die Befragungen zeigen, dass der Wert, welcher der Privatsphäre zugeschrieben wird, stark vom eigenen Sicherheitsempfinden abhängt. So wird der Einsatz moderner Technologien zur Überwachung der Bevölkerung zu Sicherheitszwecken meist dort stärker abgelehnt, wo sich die Befragten eher sicher fühlen. Dabei wird ein gewisses Nord-Süd-Gefälle sichtbar: In Dänemark (92%), Norwegen (90%), in der Schweiz (84%), Österreich (81%) und Deutschland (73%) fühlen sich die Befragten besonders sicher, während das allgemeine Sicherheitsgefühl in Spanien (49%), Italien (43%) und Ungarn (31%) viel weniger ausgeprägt ist – damit fallen in diesen Ländern auch die Einwände gegen staatliche Kontrolle geringer aus.

(Aus "Horizonte" Nr. 102, September 2014)