Wie oft Rotmilane eigentlich mit Windrädern zusammenstossen

Rotmilan im Flug
© Patrick Scherler

Je höher die Rotoren angebracht sind, desto weniger kollidieren Rotmilane mit Windrädern. Das ergab ein vom SNF unterstütztes Tracking von fast dreitausend dieser Vögel in ganz Europa. Die Erkenntnisse können für bessere Anlagen sorgen.

Mit seinen langen Schwingen nutzt der Rotmilan Aufwind, um rasch an Höhe zu gewinnen. Wo die Verhältnisse besonders gut sind für diese Flugtechnik, sind oft auch ideale Standorte für Windkraftanlagen. Kein Wunder also, dass es ab und an zu Kollisionen kommt.

Eine vom SNF mitunterstützte Studie, an der die Schweizerische Vogelwarte beteiligt ist, hat nun analysiert, wann und wo solche tödlichen Zwischenfälle genau passieren. Die Erkenntnisse könnten in die Planung der Anlagen einfliessen. Für das Projekt verfolgten mehrere Forschungsteams aus Österreich, Deutschland und weiteren europäischen Ländern fast 3000 Rotmilane bis zu elf Jahre lang mithilfe von GPS-Trackern.

Über fünfhundert der Vögel stammten aus der Schweiz. Sie wurden vor zehn Jahren von der Schweizerischen Vogelwarte meist als Jungvögel mit leichten, solarbetriebenen Sendern ausgestattet. Seitdem erhalten die Forschenden je nach Akkuladung etwa ein Signal pro Stunde zur Position der Tiere.

Bergung und Autopsie ein riesiger Aufwand

Das Vogelwarte-Team untersucht anhand dieser grossen Stichprobe das Zugverhalten des Rotmilans sowie dessen Ausbreitung in alpine Lebensräume. «Eine ungelöste Frage ist zum Beispiel, warum die Population in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen ist. In den umliegenden Ländern sanken die Zahlen nämlich bis vor kurzem», sagt Martin Grüebler, Leiter des Ressorts Ökologische Forschung.

Für das länderübergreifende Projekt Life-Eurokite wurden die Schweizer Datensätze mit den Trackingdaten aus anderen europäischen Ländern kombiniert. Ziel dieser Zusammenarbeit ist unter anderem, den von Menschen verschuldeten Todesursachen von Rotmilanen auf den Grund zu gehen.

Eine nun publizierte Auswertung der Datensätze aller 3000 Vögel ergab, dass in elf Jahren wohl 41 Individuen durch Windkraftanlagen starben. Für die Feststellung der Todesursache gehen die verschiedenen Forschungsteams nach einem standardisierten Protokoll vor: Die GPS-Daten geben Auskunft darüber, ob das Tier am Standort einer Anlage ums Leben gekommen ist. Wenn möglich, werden die toten Vögel dann zeitnah geborgen und eine Autopsie durchgeführt.

Laut Grüebler ist die Bergung der Vögel ein riesiger Aufwand. Denn dafür müssen europaweit stets genügend Leute bereitstehen, und es gilt auch länderspezifische Vorschriften zu beachten – etwa den Einbezug von Behörden. Die Forschenden aller Länder zusammen konnten für 25 der getöteten Vögel eine Kollision mit einer Windkraftanlage als sicherere Todesursache bestätigen. Die restlichen 16 wurden als sehr wahrscheinlich oder möglich klassifiziert.

Keine Todesfälle durch Windkraft in der Schweiz

Fast die Hälfte der Zusammenstösse geschah im Norden von Deutschland – dort, wo die Zahl an Windräder besonders hoch ist. Weitere zwölf Kollisionen fanden in Spanien und Frankreich statt − oft während des jährlichen Zugs in den Süden.

Von der Schweizer Kohorte starben vier Vögel durch Windkraftanlagen in Frankreich, Spanien und Deutschland. In der Schweiz selbst gab es keine derartigen Todesfälle zu verzeichnen. «Aber hier gibt es im Vergleich zu unseren Nachbarländern auch noch nicht so viele Anlagen», so Grüebler.

Das Team wertete anhand der GPS-Daten nicht nur die Zusammenstösse aus, sondern auch Beinahekollisionen. Das sind Situationen, bei denen Rotmilane Windkraftanlagen passierten, ohne Schaden zu nehmen. Diese Beobachtungen lieferte Informationen darüber, welcher Typ und welche Grösse der Windräder mehr oder weniger gefährlich sind.

Das Fazit: Je grösser die Rotoren, desto eher kommt es zu einem Zusammenstoss. Eine Steigerung deren Durchmesser um 25.5 Meter erhöhte die Wahrscheinlichkeit für eine Kollision um das Fünffache. Positiv wirkte es sich dagegen aus, wenn die Rotorblätter möglichst hoch angebracht waren. Rotmilane mit ihrer niedrigen Flughöhe fliegen dann eher unter ihnen durch.

Bei Adlern und Fledermäusen wieder anders

«In Zukunft wird die Zahl der Windkraftanlagen in Europa um ein Vielfaches zunehmen. Damit könnte diese Gefahr mehr ins Gewicht fallen», so Grüebler. Eine noch nicht publizierte Studie des Projekts Life-Eurokite nimmt sich der Wichtigkeit weiterer menschenbedingter Todesursachen für den Rotmilan an, wie etwa illegale Abschüsse und Vergiftungen.

Aufgrund der Ergebnisse zur Windkraft empfiehlt das Forschungsteam, die Anlagen zum Schutz des Rotmilans mit möglichst viel Bodenfreiheit zu bauen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Wie Grüebler erklärt, könnten nämlich höhere Rotoren wiederum für andere Greifvögel wie verschiedene Adler- oder Geierarten gefährlich werden. Oder für Singvögel während dem Zug und für Fledermäuse. Denn die Flughöhe ist sehr artspezifisch.

Gerade deshalb sei es wichtig, so viel wie möglich über die Lebensweise der verschiedenen Tierarten herauszufinden. «Je mehr wir wissen, desto besser kann man Windkraftanlagen und Standorte planen, die möglichst geringen Folgen für die Tierwelt haben.»