Die Wissenschaft als Brückenbauerin zwischen Mensch und Natur

Johanna Jacobi

Johanna Jacobi ist Assistenzprofessorin für Agrarökologische Transitionen an der ETH Zürich. Mit ihrer Forschungsarbeit möchte sie uns die Ökologie näherbringen. Ein Portrait.

«Pflanzen und Insekten haben mich schon immer fasziniert. Als Kind war ich eine echte Sammlerin. Manchmal habe ich meine Spinnen auf dem Küchentisch laufen lassen. Die Begeisterung meiner Eltern hielt sich in Grenzen», sagt sie lächelnd. So überrascht es wenig, dass Johanna Jacobi, heute Assistenzprofessorin für Agrarökologische Transition an der ETH Zürich, zunächst Geografie und Biologie studierte. Schon bald merkte sie aber, dass ihr der «menschliche Aspekt» fehlte, und so entschied sie sich für ein ergänzendes Studium der Sozialanthropologie. Ihrer Ansicht nach sind alle drei Disziplinen gleichermassen wichtig, wenn man verstehen will, wie die Menschen auf der Erde leben und in welcher Beziehung sie zur Natur stehen.

Wie liesse sich dieses Verständnis besser erlangen als im Rahmen einer Forschungsreise in den Globalen Südens? In ihrer Masterarbeit erforschte Johanna Jacobi die Agrobiodiversität von landwirtschaftlichen Flächen in peri-urbanen Regionen Indiens, die mit unaufbereiteten Abwässern bewässert werden. Für ihre Doktorarbeit an der Universität Bern beschäftigte sie sich mit der Frage, wie resilient Kakaoplantagen im bolivianischen Regenwald gegenüber dem Klimawandel sind. Danach konzentrierte sie sich im Rahmen eines Postdoc-Projekts in den USA und später an der Universität Bern auf die Agroforstwirtschaft – wiederum in Bolivien, wo sie danach sechs Jahre lang lebte.

Während ihres Masterstudiums las sie zufällig einen internationalen Bericht über Landwirtschaft und Entwicklung. «Mir wurde klar, dass wir einen ganz neuen Ansatz brauchen, um als Gesellschaft eine Zukunft zu haben. Und ich wusste, dass ich daran mitarbeiten wollte», erklärt sie. Sie beschloss, eine Stelle im Departement Umweltsystemwissenschaften der ETH Zürich anzunehmen, weil sie dort sowohl über ökologische als auch über gesellschaftliche Themen forschen konnte. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Frage, wie sich die Landwirtschaft wandeln soll, um gleichzeitig nachhaltig und fair zu sein. «Diesem Problem müssen sich vor allem westliche Gesellschaften stellen, in denen sich die Menschen vom Rest der der Natur und auch voneinander entfernt haben», sagt sie.

Das Bindeglied zwischen Demokratie und Nachhaltigkeit finden

In einem ihrer aktuellen Forschungsprojekte, das vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert wird, untersucht sie den Einfluss der Demokratie auf die Landwirtschaft. Jacobi ist der Ansicht, dass das globale Ernährungssystem infolge politischer und marktstruktureller Machtgefälle in der Krise ist. Die Stimmen von Kleinbauern, Frauen und den Ärmsten der Armen werden zu wenig gehört. Die Deliberationsforschung als Teil der Demokratieforschung geht davon aus, dass sich ein Diskurs, der diese Stimmen einbezieht, positiv auf die öffentlichen Güter und die ökologischen Interessen der Gesellschaft auswirkt. Johanna Jacobi will diese Annahme im Kontext von Ernährungssicherung und Landwirtschaft testen. Sie stützt sich dabei auf Fallstudien, die im Kongo und in Brasilien in Bezug auf den Anbau von Kaffee und Soja durchgeführt wurden. «Diese Landwirtschaftszweige haben weltweit einen enormen Einfluss, sowohl auf die Umwelt als auch auf die Wirtschaft», sagt sie.

Die Verbindung von Mensch und Natur wieder herstellen - ist das nicht zu viel für eine Person? «Alle können einen Beitrag leisten, auch ich», sagt sie bestimmt. Ihr Optimismus ist unerschütterlich. Obwohl sie manchmal auch wütend und frustriert ist, weil ihre Arbeit und die vieler anderer Forschenden längst gezeigt hat, dass wir dringend einen Richtungswechsel brauchen. Obwohl ihr auch schon gesagt wurde, dass ihr Forschungsgegenstand verrückt oder unbedeutend sei. Obwohl sie schon bedroht wurde, weil sie den Einsatz von Pestiziden in der Sojaproduktion untersucht hat. Obwohl es für sie nicht immer einfach ist, Beruf und Privatleben zu vereinbaren.

«Für mich ergibt meine Arbeit einen Sinn», sagt sie. Und so lebt sie denn auch privat: Zusammen mit ihrem Mann, einem Bolivianer, und ihren beiden Kindern lebt sie in einer ökologischen Wohngemeinschaft im Schwarzwald, in der Nähe von Basel. Ausserdem beteiligt sie sich an agrarökologischen Initiativen, darunter urbane Landwirtschaftsprojekte in Zürich und Projekte der solidarischen Landwirtschaft. Und sie gibt ihre Werte an ihre Studierenden weiter. «Ich ermuntere sie, mutig und kritisch zu sein und nach der Wahrheit zu suchen. Die Wissenschaft ist ein fantastischer Weg, um Dinge voranzubringen», sagt sie.