Nationale Forschungsprogramme (NFP)
Die NFP leisten einen wissenschaftlichen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen. Sie werden vom Bundesrat lanciert und behandeln Themen von nationaler Bedeutung. Das Forschungsvolumen liegt bei 10 bis 20 Millionen Schweizer Franken.
Die NFP haben eine inter- und transdisziplinäre Ausrichtung. Die einzelnen Forschungsprojekte werden im Hinblick auf das jeweilige Programmziel koordiniert. Forschende arbeiten mit Akteuren aus der Praxis zusammen und pflegen einen regen Austausch. Die Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen an Fachpersonen und an die breite Öffentlichkeit hat in den NFP einen hohen Stellenwert.
Laufende NFP
Abgeschlossene NFP
- NFP 78 "Covid-19"
- NFP 76 "Fürsorge und Zwang – Geschichte, Gegenwart, Zukunft"
- NFP 75 "Big Data"
- NFP 74 "Gesundheitsversorgung"
- NFP 73 "Nachhaltige Wirtschaft"
- NFP 72 "Antimikrobielle Resistenz"
- NFP 71 "Steuerung des Energieverbrauchs"
- NFP 70 "Energiewende"
- NFP 69 "Gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion"
- NFP 68 "Nachhaltige Nutzung der Ressource Boden"
- NFP 67 "Lebensende"
- NFP 66 "Ressource Holz"
- NFP 65 "Neue urbane Qualität"
- NFP 64 "Chancen und Risiken von Nanomaterialien"
- NFP 63 "Stammzellen und regenerative Medizin"
- NFP 62 "Intelligente Materialien"
- NFP 61 "Nachhaltige Wassernutzung"
- NFP 60 "Gleichstellung der Geschlechter"
- NFP 59 "Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen"
- NFP 58 "Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft"
- NFP 57 "Nichtionisierende Strahlung – Umwelt und Gesundheit"
- NFP 56 "Sprachenvielfalt und Sprachkompetenz in der Schweiz"
- NFP 54 "Nachhaltige Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung"
- NFP 53 "Muskuloskelettale Gesundheit – Chronische Schmerzen"
- NFP 52 "Kindheit, Jugend und Generationenbeziehungen im gesellschaftlichen Wandel"
- NFP 51 "Integration und Ausschluss"
- NFP 50 "Hormonaktive Stoffe: Bedeutung für Menschen, Tiere und Ökosysteme"
- NFP 49 "Antibiotika-Resistenz"
- NFP 48 "Landschaften und Lebensräume der Alpen"
- NFP 47 "Supramolekulare funktionale Materialien"
- NFP 46 "Implantate und Transplantate"
- NFP 45 "Probleme des Sozialstaats"
- NFP 43 "Bildung und Beschäftigung"
- NFP 42+ "Beziehungen Schweiz - Südafrika"
- NFP 42 "Grundlagen und Möglichkeiten der schweizerischen Aussenpolitik"
- NFP 41 "Verkehr und Umwelt: Wechselwirkungen Schweiz - Europa"
- NFP 40+ "Rechtsextremismus - Ursachen und Gegenmassnahmen"
- NFP 40 "Gewalt im Alltag und organisierte Kriminalität"
- NFP 39 "Migration und interkulturelle Beziehungen"
- NFP 38+ "Entstehungsmechanismen neuartiger Infektionskrankheiten"
- NFP 38 "Krankheiten des Nervensystems"
- NFP 37 "Somatische Gentherapie"
- NFP 36 "Nanowissenschaften"
- NFP 35 "Frauen in Recht und Gesellschaft - Wege zur Gleichstellung"
- NFP 34 "Komplementärmedizin"
- NFP 33 "Wirksamkeit unserer Bildungssysteme"
- NFP 32 "Alter"
- NFP 31 "Klimaänderungen und Naturkatastrophen"
- NFP 30 "Hochtemperatur–Supraleitung"
- NFP 29 "Wandel der Lebensformen und soziale Sicherheit"
- NFP 28 "Die Schweiz in einer sich ändernden Welt: Aussenwirtschaftliche und entwicklungspolitische Herausforderung"
- NFP 27 "Wirksamkeit staatlicher Massnahmen"
- NFP 26 "Mensch, Gesundheit, Umwelt"
- NFP 25 "Stadt und Verkehr"
- NFP 24 "Chemie und Physik an Oberflächen"
- NFP 23 "Künstliche Intelligenz und Robotik"
- NFP 22 "Nutzung des Bodens in der Schweiz"
- NFP 21 "Kulturelle Vielfalt und nationale Identität"
- NFP 20 "Geologische Tiefenstruktur der Schweiz"
- NFP 19 "Werkstoffe für die Bedürfnisse von morgen"
- NFP 18 "Biomedizinische Technik"
- NFP 17 "Alternativmethoden zum Tierversuch"
- NFP 16 "Methoden zur Erhaltung von Kulturgütern"
- NFP 15 "Arbeitswelt: Humanisierung und technologische Entwicklung"
- NFP 14 "Lufthaushalt, Luftverschmutzung und Waldschäden in der Schweiz"
- NFP 13 "Forschung auf dem Gebiet der Mikro- und Optoelektronik"
- NFP 12 "Holz, erneuerbare Rohstoff- und Energiequelle"
- NFP 11 "Sicherheitspolitik"
- NFP 10 "Bildung und das Wirken in Gesellschaft und Beruf"
- NFP 09 "Mechanismen und Entwicklung der schweizerischen Wirtschaft und deren soziale Auswirkungen"
- NFP 08 "Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit im schweizerischen Gesundheitswesen"
- NFP 07 "Rohstoff- und Materialprobleme"
- NFP 06 "Entscheidungsvorgänge in der schweizerischen Demokratie"
- NFP 05+ Man and Biosphere (MAB): "Sozio-ökonomische Entwicklung und ökologische Belastbarkeit im Berggebiet"
- NFP 05 "Regionalprobleme in der Schweiz, namentlich in den Berg- und Grenzgebieten"
- NFP 04+ "Energie: Sozio-ökonomische Forschungen im Konsumbereich"
- NFP 04 "Forschung und Entwicklung im Bereich der Energie"
- NFP 03 "Probleme der sozialen Integration in der Schweiz"
- NFP 02 "Grundlegende Probleme des schweizerischen Wasserhaushaltes"
- NFP 01 "Prophylaxe der Herz- und Kreislauferkrankungen"
50 Jahre NFP
Nationale Forschungsprogramme bringen die Schweiz voran - seit 50 Jahren
Seit fünfzig Jahren tragen die Nationalen Forschungsprogramme zu Lösungen gesellschaftlicher Probleme wie Klimawandel, Gesundheitskrisen oder soziale Ungleichheit bei. In dieser Zeit haben sie die Gesellschaft und die Wissenschaft einander nähergebracht.
Die Wissenschaft spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung von Gesellschaften, aber ihr Wert entfaltet sich erst richtig, wenn sie über die akademischen Grenzen hinausgeht. Vor zwei Generationen lud die Wissenschaft deshalb die Gesellschaft zur Mitsprache ein und beantragte beim Bund die Einführung von Nationalen Forschungsprogrammen (NFP). Die Programme sollten gesellschaftsrelevante Themen praxisnah erforschen und den offenen Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft fördern. Im Frühling 1975 bewilligten der Bundesrat und das Parlament den Kredit von knapp 30 Millionen Franken für die ersten vier Forschungsprogramme.
Eine Plattform für Forschung und Dialog
Die Wissenschaft erhielt dadurch Unterstützung zur Erforschung neuer zukunftsträchtiger Themen und die Verwaltung, die Privatwirtschaft und weitere Institutionen der Zivilgesellschaft konnten ihre Ideen für neue NFP vorschlagen. «Für die Wissenschaft war dies ein wichtiger Anstoss, aus ihrem Elfenbeinturm hinauszutreten», erklärt ETH-Umweltphysiker Dieter Imboden, ehemaliger Präsident des Forschungsrats (2005 – 2012). Die Wissenschaft aus dem Elfenbeinturm herauszuholen bedeutet nicht nur mehr Sichtbarkeit, sondern auch mehr Wirkung – für eine informierte, fortschrittliche und lebenswerte Gesellschaft. So können NFP komplexe Themen verständlich machen und das Vertrauen in wissenschaftliche Prozesse stärken.
Erfolgreicher Auftakt, internationales Echo
Bereits das erste Nationale Forschungsprogramm «Prophylaxe von Herz- und Kreislauferkrankungen» war ein Erfolg: Es lieferte Anfang der 1980er-Jahre eine Erkenntnis, die inzwischen in jedem Gesundheitsratgeber nachzulesen ist: Hoher Blutdruck ist, abhängig von Alter und Gewicht, der entscheidende Risikofaktor für Herz- und Kreislauferkrankungen.
Aufhorchen liess aber auch die damals neuartige Herangehensweise in der medizinischen Forschung, den menschlichen Organismus neuerdings als Ganzes zu erfassen. Selbst die Weltgesundheitsorganisation WHO begann diesen ganzheitlichen Ansatz für ihre Präventionsstudien zu kopieren.
Antizipierende Wirkung
Themenfelder, die für Wirtschaft und Gesellschaft inzwischen sehr bedeutend sind, wurden in Forschungsprogrammen früh entdeckt und erhielten wirkungsvolle Starthilfe. Anfang der 1990er-Jahre erforschte das NFP 23 die «Robotik und künstliche Intelligenz». Die damals beteiligten Forschungsinstitutionen, IDIAP Forschungsinstitut in Martigny und das Istituto Dalle Molle di studi sull’intellgenza artificiale (IDSIA) in Lugano, geniessen dank selbst entwickelter Sprachmodelle heute internationale Anerkennung.
Die Klimapolitik profitiert ihrerseits von einer frühzeitigen Erkundung durch das NFP 31 «Klimaänderungen und Naturkatastrophen» von 1993 bis 1997. Daraus entstanden wesentliche Grundlagen für die regionalen Klimaszenarien und daraus ableitbare Anpassungsstrategien. Die punktuell geförderte Forschung vor dreissig Jahren legte zudem den Grundstein für den erfolgreichen Nationalen Forschungsschwerpunkt der Universität Bern und der ETH Zürich «Klima - Variabilität, Vorhersagbarkeit und Risiken». «Nationale Forschungsprogramme sind ein Seismograf für Themen, die im Alltag wichtiger werden», sagt Martina Hirayama, Staatssekretärin für Bildung, Forschung und Innovation.
Breites Spektrum, kontroverse Themen
Aktuell werden u.a. die Baukultur, neue Pflanzenzüchtungsmethoden, die Biodiversität und die Gendermedizin in eigenen NFP erforscht. Die Ideen werden jeweils durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) gesammelt und vorselektioniert. Die Freigabe der NFP erteilt derweil der Bundesrat. Bisher stattete er sie für eine Laufzeit von drei bis fünf Jahren mit einem Budget zwischen 5 und 30 Millionen Franken aus. "Die Nationalen Forschungsprogramme sind ein unverzichtbares Instrument, um aktuelle Themen gezielt und koordiniert aufzunehmen und nachhaltige Lösungen für die drängenden Fragen unserer Zeit zu entwickeln", sagt Bundesrat Guy Parmelin.
Die NFP-Themenliste der letzten 50 Jahre ist lang und vielfältig. Der Bundesrat liess neben Gesundheits- und Umweltthemen auch den Umgang mit der Digitalisierung oder der Sprache erforschen. Nicht ausgespart wurden auch brisante und ethisch kontroverse Themen, u.a. zur sozialen Integration, zur Beziehung der Schweiz mit Südafrika, zum Sterben oder zu fürsorgerischen Zwangsmassnahmen. Das NFP 59 «Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen» löste am Versuchsfeld bei Agroscope eine zerstörerische Protestaktion aus. «Für drängende gesellschaftliche und politische Fragen kann die Wissenschaft sachbezogene Informationen liefern oder Zielkonflikte aufzeigen, aber keine Entscheide fällen», fasst Imboden die Rolle der Nationalen Forschungsprogramme zusammen.
Erwartungen, handlungsbezogenes Wissen
«Die Nationalen Forschungsprogramme pflegen den Dialog zwischen Forschung und Politik. So können politische Entscheidungen gezielt auf wissenschaftlichen Erkenntnissen abgestützt werden", erklärt Laura Bernardi, Vizepräsidentin des Forschungsrats zur Zusammenarbeit Politik und Wissenschaft. Forschung kann auch dringliche Fragen bearbeiten. Während der Corona-Pandemie standen Wissenschaft und Politik fast täglich im Kontakt, und in Rekordzeit wurde das NFP 78 «Covid-19» lanciert. Aus der zuerst ungewohnten Annäherung entstand ein Dialog auf Augenhöhe. Um einen kontinuierlichen Austausch auch in normalen Zeiten zu gewährleisten, erprobt das NFP 80 «Covid-19 in der Gesellschaft» nun ein sogenanntes «Pairing Scheme». Dieses Format sorgt dafür, dass sich Forschende direkt mit Politiker:innen und Fachpersonen aus der Verwaltung austauschen.
Wirtschaft und Industrie als Stakeholder
Ein offener Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft fördert Innovationen. Bahnbrechende Entdeckungen entstehen, wenn verschiedene Perspektiven zusammentreffen – sei es durch die Zusammenarbeit mit Industrie, Politik oder direkt mit Bürgerinnen und Bürgern. An den Forschungsprogrammen ist der Tech- und Werkplatz Schweiz deshalb genauso interessiert wie Politik und Gesellschaft. Erkenntnisse aus der Materialforschung, Biomedizin respektive Bau- und Energietechnik wurden der Industrie zugänglich gemacht und es entstanden Hochschul-Spinoffs und damit Innovation und neue Arbeitsplätze.
Das NFP 73 «Nachhaltige Wirtschaft» untersuchte auch die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Potenziale der Kreislaufwirtschaft. «Die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft gibt uns wichtige Anstösse zur Verbesserung der nachhaltigen Wertschöpfungskette», sagt Marcel Niederberger, Head of Sustainability des Haushaltgeräteherstellers V-Zug.
Die Forschung in den NFP liefert neues Wissen, das für die Zukunft des Landes entscheidend ist. Es ist Grundlage für weitere Innovationen und damit ausschlaggebend für den Wirtschaftsstandort Schweiz.
Nationale Forschungsprogramme dienen regelmässig auch einer Bedarfsabklärung, inwiefern die themenspezifische Erkundung zu intensivieren oder anzupassen ist. Beispielhaft dafür steht die Entwicklungszusammenarbeit und die Migrationspolitik: Mit der globalen Migration begann sich die Forschung anlässlich der NFP 28 «Die Schweiz in einer sich ändernden Welt» und NFP 39 «Migration und interkulturelle Beziehungen» zu befassen.
«Die Nationalen Forschungsprogramme sind ein integraler Bestandteil der Schweizer Forschungs- und Innovationslandschaft. Sie ermöglichen es, wissenschaftliche Erkenntnisse in konkrete Lösungen umzusetzen", betont Torsten Schwede, Präsident des Forschungsrats. Solche Lösungen tauchen sogar im normalen Alltag auf: Das NFP 72 im Bereich der Antibiotikaresistenz brachte ein staatliches Überwachungssystem hervor, das die medizinische Verschreibungspraxis im Alltag verbessert. Und den im NFP 66 «Ressource Holz» erfolgreich erprobten Ingenieurleistungen ist zu verdanken, dass in der Schweiz inzwischen mehrere Hochhäuser aus Holz entwickelt und realisiert werden.
Lerneffekte für die Wissenschaft
Die Programme beeinflussten auch das Verständnis, wie wissenschaftliches Arbeiten funktioniert. War die Forschung in den 1970er-Jahren den einzelnen Disziplinen verpflichtet, werden Grenzen heute überschritten. Die komplexen gesellschaftsrelevanten Themen können nur disziplinenübergreifend und gemeinsam mit der Praxis gelöst werden. «Die Nationalen Forschungsprogramme trugen wesentlich dazu bei, dass Inter- und Transdisziplinarität zu einem der heutigen Standards für wissenschaftliche Exzellenz gehören», sagt Paul Messerli, Professor für Humangeografie an der Universität Bern und von 1998 bis 2008 im Forschungsrat für die NFP verantwortlich. Ohne den Dialog und die Zusammenarbeit ausserhalb des akademischen Umfelds, blieben viele Lösungen ungenutzt oder würden gar nicht erst wahrgenommen werden.
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